Vol 2 (2019), No 2: 90–122

DOI: 10.21248/jfml.2019.17

„oh isch FIND_s nich;“

Eine konversationsanalytische Untersuchung sprachlicher Bezugnahmen auf smartphone-gestützte Suchprozesse in Alltagsgesprächen

David Suderland

Abstract

This paper adds to the growing field of conversation analytical re­search on smartphone-use in face-to-face interactions. Whenever smartphones are used in mobile-supported sharing activities – e. g. to show a picture to co-present others – the smartphone user needs to search for and find the “searchable object” in the World Wide Web, an App or on the device’s local memory. Analyzing audio-recordings of naturally-occurring conversations, this paper iden­tifies two types of practices of speech that explicitly orient to on­going smartphone-supported searches: Collaborative search (cf. Brown/McGregor/McMillan 2015) and search-accompanying com­mentary by the smartphone-user. Both practices verbally provide for the accountability of the otherwise opaque device use. They differ in the way they produce opportunities for co-present others to substantively contribute to the progression of the search as well as the degree to which they produce the search as an interactionally public event.

Keywords: Face-to-Face-Interaktion, Smartphones, Konversationsanalyse, Medienintegration, Mediatisierte Alltagsgespräche


 

1. Einleitung

Im Vergleich zum häuslichen Telefon handelt es sich bei Mobiltele­fonen und ihren Nachfolgetechnologien – Smartphones – um per­sönliche Medien, die ortsunabhängige Telekommunikation mit Ab­wesenden ermöglichen und von ihren NutzerInnen im Alltag stets bei sich getragen werden (vgl. Höflich 2016: 161). Nicht selten wer­den sie durch Accessoires wie Handyhüllen und Schmuckanhänger (vgl. Fortunati 2005) oder benutzerdefinierte Klingeltöne (vgl. Bur­kart 2007: 124) von ihren BenutzerInnen personalisiert. Dass es sich bei mobilen Endgeräten um persönliche und personalisierte Medien handelt, wird in der Literatur teilweise damit gleichgesetzt, dass es sich um private Medien handelt, die von einer Person beses­sen und ausnahmslos von dieser genutzt werden (vgl. Weilenmann/Larsson 2002: 104). Ethnografische Studien haben jedoch gezeigt, dass sich insbesondere unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen Prakti­ken der gemeinschaftlichen Telekommunikation ausgebildet haben: So werden beispielsweise Telefonate gemeinsam geführt (vgl. Weilenmann/Larsson 2002: 97), SMS kollaborativ beantwortet (vgl. Taylor/Har­per 2003) oder Instagram-Fotografien vor der Veröffent­lich­ung von Anwesenden betrachtet und diskutiert (vgl. Weilenmann/Hill­man 2020).

Smartphones bieten nun neben vielfältigen Telekommunika­tionsmöglichkeiten zahlreiche weitere Funktionen, die von Teil­nehmerInnen an Face-to-Face-Interaktionen auch für die Hervor­bringung gemeinsamer Aktivitä­ten eingesetzt werden können: So können beispielsweise aus dem Gespräch heraus entstandene Fragen durch Online-Suchanfragen be­antwortet (vgl. Brown/ McGregor/McMillan 2015) oder digitale Fotografien in „mobile-supported sharing activities“ (Raclaw/Robles/DiDomenico 2016) geteilt und kommu­nikativ angeeignet werden (vgl. Kepp­ler 2019). Immer dann, wenn Informationen, Fotografien oder Vide­os über die mobilen Endgeräte für eine gemeinschaftliche Nutzung aufgerufen werden, müssen die SmartphoneinhaberInnen[1] den ge­wünschten Medieninhalt dabei zunächst suchen und finden – sei es im lokalen Speicher des Geräts, über eine der installierten Applika­tionen oder im World Wide Web.

Für die SmartphoneinhaberInnen ergibt sich daraus die Heraus­forderung, für andere Anwesende accountable, d. h. erkennbar, ver­stehbar, beschreibbar, berichtbar und erklärbar (vgl. Garfinkel 1967: vii) zu machen, dass die Handhabung des Geräts als sinnhafte soziale Handlung im Dienst einer gemeinsamen Aktivität des Gesprächs steht. Die meisten Smartphones verfügen über Intelligente Persön­liche Assistenten (IPAs, bspw. Siri), die mit Sprachbefehlen gesteuert werden können. Werden Suchanfragen auf diese Weise durchge­führt, wird für andere InteraktionsteilnehmerInnen gleichzeitig hör­bar und damit accountable, welchem Zweck die Bedienung des Ge­rätes gilt (vgl. Porcheron/Fischer/Sharples 2016b: 212). Erfolgt die Manipulation des Geräts jedoch über Bediengesten auf dem berüh­rungssensitiven Display, ist dieser Zweck für andere Anwesende aufgrund der materiellen Eigenschaften des mobilen Endgeräts (Größe und Displayplatzierung) zumeist nicht ohne Weiteres er­sichtlich. Aus Perspektive der ethnomethodologischen Konversa­tions­analyse (im Folgenden „KA“) stellt sich daher die Frage, mittels welcher Methoden die TeilnehmerInnen über Bediengesten reali­sierte, smartphone-gestützte Suchprozesse, die für die Integration eines Medieninhalts in das Gespräch notwendig sind, füreinander ver­ständlich machen. Basierend auf der Analyse von Audioaufzeich­nungen alltäglicher Face-to-Face-Interaktionen identifiziert der vorliegende Aufsatz verschiedene sprachliche Praktiken der gesprächs­weisen Bezugnahme auf den Suchprozess als methodische Lösungen dieses Problems der Interaktionsorganisation. Diesen Praktiken ist ge­meinsam, dass sie für die Anwesenden den Prozess der Suche sprachlich accountable machen. Sie unterscheiden sich jedoch darin, auf welche Weise sie dies tun und inwiefern sie es anderen Anwesenden ermöglichen, durch ihre sprachlichen Äußerungen konstitutive Beiträge zum Fortschritt des Suchprozesses zu leisten. Abhängig von der Weise, wie dieser durch sprachliche Praktiken interaktionsöffentlich gemacht wird, werden die Geschehnisse auf dem Display des Smartphones in unterschiedlichem Maße für andere Anwesende wahrnehmbar und verstehbar – oder verbleiben etwas, das lediglich der InhaberIn des persönlichen Endgeräts zu­gänglich ist.

Der Aufsatz nutzt die Potenziale des konversationsanalytischen Vorgehens, um zu zeigen, dass Smartphones und darüber zugäng­liche ‚Informationen‘ nicht per se als privat oder (interaktions-) öffentlich zu definieren sind, sondern dass dieser Status in unter­schiedlichen Abstufungen lokal und interaktiv im Vollzug konkreter Gesprächssituationen durch die TeilnehmerInnen hervorgebracht wird. Im Folgenden wird zunächst der relevante konversations­analytische Forschungsstand zum Smartphonegebrauch in Face-to-Face-Interaktionen (Kap. 2) und mein methodisches Vorgehen (Kap. 3) vorgestellt. Anschließend werden zwei verschiedene Typen sprach­licher Praktiken der Bezugnahme auf Suchprozesse rekonstruiert, die sich dahingehend unterscheiden, inwiefern sie die (Inhalte der) Suche (gesprächs-)öffentlich machen und den Suchprozess als kollaborativ in der Face-to-Face-Interaktion zu bearbeitende Aufgabe her­vorbringen (Kap. 4). Der Aufsatz schließt mit einer Zusammenfas­sung und Diskussion der Ergebnisse (Kap. 5).

2. Der Gebrauch mobiler Kommunikationstechnologien in Face-to-Face-Interaktionen

Im Verhältnis dazu, wie viel Aufmerksamkeit die Frage nach den Auswirkungen der zunehmenden Verbreitung mobiler Kommunika­tionstechnologien auf unseren gesellschaftlichen Alltag im öffent­lichen und wissenschaftlichen Diskurs erhält, ist es einigermaßen er­staunlich, dass der Gebrauch mobiler Endgeräte in Face-to-Face-Inter­ak­­tionen aus konversationsanalytischer Perspektive noch vergleichs­weise unerforscht ist.

Die existierenden konversationsanalytischen Studien lassen sich zunächst dahingehend unterscheiden, ob sie sich dem divergenten Smartphonegebrauch (insb. zur Telekommunikation mit Abwesen­den) widmen; oder ob sie den konvergenten Smartphonegebrauch fokussieren, in dem sich TeilnehmerInnen die Affordanzen des mo­bilen Endgeräts als Ressource zur Produktion sozialer Handlungen in gemeinsamen Aktivitäten zunutze machen. Da der vorliegende Aufsatz die kommunikative Integration des Smartphones in Face-to-Face-Interaktionen untersucht, werden Analysen des divergenten Smart­phonegebrauchs lediglich kurz vorgestellt.

Diese Studien untersuchen vor allem, mittels welcher sprach­lichen und verkörperten Praktiken die TeilnehmerInnen die Anfor­derungen der Telekommunikation (bspw. SMS- oder Chatkommu­nikation) mit denen des laufenden Gesprächs koordinieren (vgl. bspw. DiDomenico/Boase 2013; DiDomenico/Raclaw/Robles 2018). Während einige Studien dabei stärker die ‚Kunstfertigkeit‘ der Teil­nehmerInnen betonen, diese Herausforderungen störungsfrei und ‚unproblematisch‘ zu handhaben (vgl. Relieu 2009: 225), zeigen andere, dass es aufgrund der simultan zum Gespräch stattfindenden Fernkommunikation durchaus zu Unterbrechungen des Gesprächs kommt (vgl. Porcheron/Fischer/Sharples 2016a) oder NutzerInnen gar beobachtbare Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit vom Smartphone als „sticky media device“ (Mantere/Raudaskoski 2017) zu lösen. Die Art der divergenten Smartphonenutzung (bspw. Chat, Telefonie, Online-Suchen) entscheidet dabei nicht darüber, in welchem Maße sie als ‚sozial problematisch‘ behandelt wird. Viel­mehr wird der Smartphonegebrauch in Bezug auf unterschiedliche situative Relevanzen (u. a. ‚Medienkanal‘, sequenzielle Passung, Teilnehmerkonstellation, Accountability der Nutzung) von den TeilnehmerInnen eingeschätzt und mit den Anforderungen der Ge­sprächssituation koordiniert (vgl. Oloff 2019a: Kap. 4).

Die Studien, die die kommunikative Integration des Smartphones als Ressource für die Hervorbringung sinnhafter sozialer Hand­lungen in gemeinsamen Aktivitäten der Anwesenden untersuchen, fokussieren stärker die Fragen, wie es überhaupt zur Integration des Smartphones in alltägliche Gespräche kommt und welche Funktion das Einspielen unterschiedlichster Medieninhalte für die lokale Interaktion übernimmt. Die Integration des Smartphones wird meist durch die gesprächsweise Hervorbringung eines „searchable ob­jects“ (Brown/McGregor/McMillan 2015) veranlasst: Die sprachliche Interaktion der TeilnehmerInnen schafft einen sequenziellen Kon­text, in dem die Smartphoneintegration als verständliche Handlung relativ ‚natürlich‘ erfolgen kann (vgl. Brown/McGregor/McMillan 2015: 511). Die Möglichkeit jederzeit Informationen über den mo­bilen Internetzugang abrufen zu können, wird dabei u. a. zur Beant­wortung von Fragen (vgl. ebd.: 514; Porcheron/Fischer/Sharples 2016b: 210 f.) oder auch als Ressource für Selbst-Reparaturen bei der Produktion von Äußerungen in einer Fremdsprache (vgl. Greer 2016) genutzt. Darüber hinaus wird das Smartphone als „soziales Archiv“ (Keppler 2013: 99) verwendet, über das unterschiedlichste Medieninhalte in das Gespräch einge­spielt werden können: Beispielsweise werden Fotografien gezeigt, „um be­stimmte Zustände, Ereignisse oder Erlebnisse im Gespräch zu bele­gen“ (Keppler 2019: 184). Steht die Bewertung eines ‚Sachverhalts‘ im Zentrum der sprachlichen Aktivitäten, kann durch das Zeigen visueller Medieninhalte oder das Vorlesen archivierter Textnach­richten für andere Anwesende ein epistemischer Zugang zu diesem ‚Sachverhalt‘ geschaffen und die Interaktions­teil­nehmerInnen zu affiliativen Reaktionen bewegt werden (vgl. Raclaw/DiDomenico/ Robles 2016: 377).

Obwohl alle diese Studien Praktiken untersuchen, die die Be­dienung der mobilen Endgeräte voraussetzen, wird das Smartphone als „physisches, berühr- und manipulierbares Objekt“ (Oloff 2019b: 193) noch verhältnismäßig selten systematisch berücksichtigt: Brown, McGregor und Laurier (2013) verweisen darauf, dass die Bediengesten auf dem Display eine „double duty“ (Schegloff 2007: 169) in dem Sinne erfüllen, als dass sie gleichzeitig das Gerät mani­pulieren als auch als sinnhaft verständliche Geste in der Interaktion dienen können, wenn das Display anderen Anwesenden visuell zu­gänglich ist (vgl. Brown/McGregor/Laurier 2013: 1036)[2]. Am um­fas­sendsten wird die Materialität des Smartphones von Oloff (2019b) in ihrer multimodalen Analyse initialer Zeigesequenzen von visuellen Medieninhalten berücksichtigt: Diese werden in Adjazenzpaaren organisiert, mittels derer interaktiv die Aufmerksamkeits- und Dis­playfokussierung organisiert und Betrachtungsanweisungen durch die Zeigenden formuliert werden (vgl. ebd.: 214 f.).

Dass Medieninhalte vor ihrer Integration in das Gespräch von den SmartphoneinhaberInnen zunächst gesucht und gefunden werden müssen, wurde bisher vor allem in drei Studien thematisiert. Der Suchprozess wird in Kepplers (2019) Verlaufsmodell der Smart­phoneintegration als integrales Element der Eröffnungsphase ver­standen, in deren Verlauf der „Beginn des Suchprozesses explizit thematisiert“ (179) wird, bevor sich die SmartphoneinhaberIn der Bedienung des Geräts widmet und sich als GesprächspartnerIn zurücknimmt. Die Details der sprachlichen Praktiken, mit denen sich die TeilnehmerInnen beobachtbar auf smartphone-gestützte Suchaktivitäten beziehen, wurden bis dato spezifisch für die sprach­gesteuerte Verwendung von Siri (vgl. Porcheron/Fischer/Sharples 2016b) sowie für Online-Suchen (vgl. Brown/McGregor/McMillan 2015) untersucht. Aufgrund ihrer unmittelbaren Relevanz für das Er­kenntnisinteresse des vorliegenden Aufsatzes werden die Ergebnis­se und Forschungsdesigns dieser Studien im Folgenden ausführ­licher vorgestellt.

Porcheron, Fischer und Sharples (2016b) analysieren, wie Teil­nehmerInnen an zwanglosen Gesprächen in Pubs den IPA Siri ver­wenden. Die AutorInnen fokussieren dabei, wie und an welchen Stellen der Unterhaltung Siri mithilfe von Sprachbefehlen genutzt wird. Diese Sprachbefehle übernehmen eine „double duty“: Durch sie wird beispielsweise die Suche nach einer Antwort über Siri initiiert, wäh­rend sie gleichzeitig als hörbare Äußerungen für alle Anwesenden accountable machen, welchem Zweck die IPA-Nutzung dient. Die Sprachsteuerung von Siri veranlasst die InteraktionsteilnehmerIn­nen zunächst zur interaktiven Produktion von Stille (vgl. ebd.: 212); anschließende ‚stumme‘ (d. h. lediglich auf dem Display sichtbare) ‚Reaktionen‘ des IPA werden mittels spezifischer sprachlicher Prak­tiken der SmartphoneinhaberIn – wie beispielsweise Erklärungen, rhetori­sche Erwiderungen sowie die Wiederholung und Reformulierung der Sprachbefehle (vgl. ebd.: 215) – für Anwesende verständlich gemacht. Im Unterschied untersuchen Brown, McMillan und McGregor (2015) sprachliche Äußerungen, die sich auf über Bedien­gesten gesteuerte Online-Suchanfragen (bspw. Google-Suchen) be­ziehen. Basierend auf der Analyse von Video- und Bildschirm­auf­zeichnungen rekonstruieren die AutorInnen, wie die Smartphone­inhaberInnen durch die Produktion von Fragen und kommentieren­den Beschreibungen für andere Anwesende Beteiligungsmöglich­keiten an der Suche schaffen (vgl. ebd.: 511). Ohne dass Anwesende visuellen oder physischen Zugang zum Display des Smartphones erhalten, wird der Suchprozess so als kollaborative Suche hervorgebracht: eine Aktivität, die von den Anwesenden gemeinsam interaktiv bearbeitet werden kann. Beiden Studien ist gemeinsam, dass sie die sequenzielle Organisation sprachlicher Äußerungen (und verkörperter Handlungen) unter­suchen, mit denen sich die TeilnehmerInnen beobachtbar an smart­phone-gestützten Suchanfragen orientieren. Der Fokus von Porche­ron, Fischer und Sharples liegt dabei stärker auf den Praktiken, mit­tels derer die Suche als beobachtbares und berichtbares Phäno­men hervorgebracht wird, während Brown, McMillan und McGregor vor allem aufzeigen, wie durch Gesprächspraktiken Beteiligungsmög­lichkeiten an der smartphone-gestützten Suche geschaf­fen werden, obwohl lediglich eine Person das mobile Endgerät be­dient.

Beide Studien unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Forschungs­designs in zwei relevanten Dimensionen vom vorliegenden Aufsatz: Erstens wurden spezifische Elizitationstechniken verwendet, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der interessierenden Phäno­mene zu erhöhen. Die ForscherInnen nahmen als aktive Teilneh­merInnen an allen (vgl. Porcheron/Fischer/Sharples 2016b: 209) bzw. einem Teil (vgl. Brown/McMillan/McGregor 2015: 510) der auf­gezeichneten Interaktionen teil. Außerdem wurden die Studien­teilnehmerInnen zu spezifischen Aktivitäten an ausgewählten Orten angehalten: Brown, McMillan und McGregor animierten die TeilnehmerInnen, „to spend a couple of hours enjoying a 'city daytrip'“ (ebd.: 510), während Porcheron, Fischer und Sharples die Beforschten zu Unterhaltungen in Pubs einluden und explizit dazu aufforderten, „to preferably use the personal assistant on their mobile devices instead of typing where possible“ (Porcheron/Fischer/Sharples 2016b: 209). Indem sie Einfluss auf die Teilnehmerkonstellationen und -aktivitäten nehmen (ohne jedoch weitere Vorgaben bspw. hinsichtlich der Gesprächsthemen oder zu besuchenden Orte zu machen), lösen sich beide Studien gra­duell vom Anspruch ‚klassischer‘ konversationsanalytischer Studien, maximal naturalistische Beobachtungen anzustellen (vgl. Kendrick 2017: 3). Im Unterschied dazu wurden für diesen Aufsatz alltägliche Unterhaltungen von ‚natürlichen Gruppen‘ in ‚natürlichen Settings‘ aufgezeichnet, ohne Einfluss auf die Gesprächsaktivitäten zu neh­men.

Eine zweite Differenz besteht darin, dass beide Studien jeweils eine spezifische Form von Suchanfragen (mittels Siri bzw. Online-Suchen) fokussieren. Es lässt sich jedoch argumentieren, dass durch das Gespräch hervorgebrachte ‚gesuchte Objekte‘ grundsätzlich nicht einfach ‚zur Hand‘ sind. Unabhängig davon, ob Medieninhalte nun über einen IPA, eine Online-Suche, soziale Netzwerke oder den lokalen Speicher des Geräts abgerufen werden, ist nach der Initi­ierung des Smartphonegebrauchs immer ein Prozess des ‚Suchens-und-Findens‘ notwendig, bevor der Medieninhalt in das Gespräch integriert werden kann. Die vorliegende Studie untersucht deshalb diejenigen sprachlichen Praktiken, mit denen in alltäglichen Unter­haltungen auf unterschiedliche smartphone-gestützte Suchprozesse Bezug genommen wird. Da es jedoch in meinem Korpus zu keinem einzigen Fall der sprachgesteuerten IPA-Nutzung kommt, werden ausschließlich über Bediengesten realisierte Suchprozesse analy­siert. Durch dieses Vorgehen lässt sich der Frage nachgehen, inwie­fern es sich bei den bereits identifizierten Praktiken um Methoden handelt, die spezifisch auf die Art des Suchprozesses angepasst sind, oder ob sie unabhängig von diesen zum Einsatz kommen. Bevor die Ergebnisse dieser Analysen präsentiert werden, werde ich jedoch zunächst mein methodisches Vorgehen vorstellen.

3. Datengrundlage und methodisches Vorgehen

Ziel der KA ist die Rekonstruktion derjenigen Methoden, „mittels derer die Teilnehmer an einem Gespräch im Vollzug ihrer (sprach­lichen) Handlungen die Geordnetheit der (sprachlichen) Interaktion herstellen“ (Bergmann 1981: 15) und dabei Probleme der Interak­tionsorganisation bearbeiten. Die Frage nach den Formen und Funktion der sprachlichen Praktiken, mit denen sich die Teilneh­merInnen auf smartphone-gestützte Suchprozesse beziehen, wurde – den methodologischen Prämissen der KA folgend – auf Grundlage von Aufzeichnungen natürlicher Gespräche bearbeitet. Die Daten stammen aus der ersten Erhebungsphase eines laufenden Promo­tionsvorhabens.[3] Bei den aufgezeichneten Interaktionen handelt es sich ausnahmslos um Gespräche zwischen FreundInnen oder Fami­lienmitgliedern, die in privaten Räumlichkeiten (bspw. Wohnzim­mern oder WG-Küchen) oder an halböffentlichen Orten (wie Cafés oder Bars) geführt wurden.

Die Herausforderung in der Datenerhebung bestand darin, das ‚Natürlichkeitspostulat‘ der KA mit dem spezifischen Interesse am spontan auftretenden Smartphonegebrauch zu kombinieren. Vor diesem Hintergrund wurden zwei methodologische Entscheidungen getroffen: Zum einen wurde sich für die Anfertigung von Audioauf­nahmen mithilfe von Smartphones entschieden. Dies geschah unter der Annahme, dass sichtbar platzierte mobile Endgeräte oftmals ‚na­türlicher Bestandteil‘ des Settings sind und die Aufnahmetechno­logien somit möglichst wenig Aufmerksamkeit der Beforschten auf sich ziehen. Zum anderen wurde den Beforschten vor Beginn der Aufzeichnung lediglich mitgeteilt, dass es sich um ein Forschungs­projekt zu „Alltagskommunikation heute“ handle, um ihnen maxi­male Verhaltensspielräume zu ermöglichen (vgl. Schu 2001: 1015). Erst nach Beendigung der Aufnahme wurden die TeilnehmerInnen über das eigentliche Forschungsinteresse aufgeklärt.

Mit diesen Entscheidungen gehen insbesondere zwei Konse­quenzen einher. Durch die gewählte Aufzeichnungsform wurde das grundsätzlich Körperlichkeit und Materialität involvierende Phäno­men des Smartphonegebrauchs auf seine ‚hörbaren‘ Dimensionen reduziert. Diese Reduktion schränkt die Beschreibungsmöglich­keiten des Phänomens insofern ein, als dass sich auf dieser Daten­grundlage keine Aussagen über die physische Handhabung des Ge­räts oder das Zusammenspiel multimodaler Ressourcen machen lassen. Audioaufzeichnungen ermöglichen jedoch die Identifikation von Gesprächsepisoden, in denen sich die TeilnehmerInnen verbal auf den Smartphonegebrauch beziehen, und damit eine Rekon­struktion derjenigen sprachlichen Methoden, die eingesetzt werden, um andauernde, smartphone-gestützte Suchprozesse accountable zu machen. Ich werde in der abschließenden Diskussion auf die Limitationen des verwendeten Datentyps zurückkommen.

Da den Beforschten maximale Freiräume hinsichtlich der Inter­aktionsgestaltung gelassen wurden, musste darüber hinaus eine ent­sprechend umfangreiche Datengrundlage geschaffen werden, um eine ausreichende Menge relevanter Daten zu generieren (vgl. Schu 2001: 1019). Das Korpus besteht bis dato aus ca. 85 Stunden Audio­aufnah­men und enthält über 100 Fälle der kommunikativen Integration des Smartphones in die Face-to-Face-Interaktionen.

Ausgehend von der ‚einfachen Beobachtung‘, dass es in einigen dieser Fälle dabei nach Initiierung des Smartphonegebrauchs und vor Beendigung der Suche zu sprachlichen Bezugnahmen auf den laufenden Suchprozess kommt, wurde die für diesen Aufsatz rele­vante Kollektion gebildet (vgl. Sidnell 2012: 88–92). Unabhängig davon, ob Medieninhalte dabei über Online-Suchen, Social Media-Appli­kationen oder den lokalen Speicher des Geräts gesucht wer­den,[4] kommt es in insgesamt 21 Gesprächsepisoden zu sprachlichen Such-Sequenzen, in denen lexikalisch explizit auf den andauernden Such­prozess Bezug genommen wird. Diese wurden nach den Konven­tionen des Gesprächsanalytischen Transkrip­tionssystem 2 (vgl. Sel­ting et al. 2009) verschriftlicht. Um die methodische Hervorbringung und sequenziellen Strukturen dieser sprachlichen Be­züge auf an­dauernde Suchprozesse rekonstruieren zu können, wurden diese Fälle zunächst als individuelle Inter­aktions­episoden einer detaillier­ten Sequenzanalyse unterzogen und anschließend fallübergreifend analysiert. Auf diese Weise konnten zwei verschie­dene Typen sprachlicher Praktiken der Bezugnahme auf laufende Suchprozesse rekonstruiert werden, die im Folgenden anhand von exemplari­schen Transkriptausschnitten5 dargestellt wer­den.

Vorher möchte ich jedoch einige analytische Überlegungen zur gesprächsweisen Veranlassung der Smartphoneintegration anstellen und dabei auf den bereits erwähnten Umstand eingehen, dass es längst nicht in allen Fällen auch zu expliziten sprachlichen Bezug­nahmen auf andauernde Suchprozesse kommt.

4. Sprachliche Bezugnahmen auf smartphone-gestützte Suchprozesse in alltäglichen Gesprächen

Im Folgenden werden ausschließlich Fälle der kommunikativen Smartphoneintegration untersucht, die durch das laufende Gespräch veranlasst werden. Im Zentrum der Analyse werden dabei insbe­sondere die Praktiken stehen, mit denen die TeilnehmerInnen sprachlich Bezug auf andauernde Suchprozesse nehmen. Sequen­ziell werden damit Äußerungen fokussiert, die zu einem Zeitpunkt produziert werden, an dem die Smartphonebedienung zum Zweck einer Suchaktivität bereits initiiert wurde. Die gesprächsweise Ver­anlassung der Smartphoneintegration wird nicht selbst systematisch im Rahmen dieses Aufsatzes analysiert, soll jedoch im Folgenden interaktionsanalytisch reflektiert werden, um mögliche Hinweise darauf zu geben, wann es zu sprachlichen Bezügen auf den Suchpro­zess kommt (und wann nicht).

Wie Brown, McMillan und McGregor (2015: 511) zeigen konnten, findet die Integration mobiler Endgeräte nicht an zufälligen Stellen des Gesprächs statt, sondern dann, wenn in und durch die Ge­sprächs­praktiken der TeilnehmerInnen ein „searchable object“ her­vorge­bracht wird. Die Einführung eines ‚suchbaren Objekts‘ in die Unter­haltung schafft dabei einen sequenziellen Kontext, „where a search can be performed relatively naturally“ (ebd.). ‚Suchbare Objekte‘ sind oftmals faktische Informationen, (fotografische) Bilder oder kurze Videos – in jedem Fall sind es Medieninhalte, die von den Teil­nehmer­Innen als mittels der Handlungsmöglichkeiten des Smart­phones und als im Rahmens dieses Gesprächs such-, auffind- und rezipierbar behandelt werden (vgl. ebd.). Der damit verbundenen, aber sequenziell vorangestellten Frage, wie dabei die ‚Suchwürdigkeit‘ eines Medieninhalts interaktiv hervorgebracht wird, gehen die AutorInnen nicht nach. In den von mir untersuchten Fällen der kommunikativen Smartphoneintegra­tion lassen sich in dieser Hinsicht einige wiederkehrende Interak­tionsaufgaben identifizieren, durch die die ‚Suchwürdigkeit‘ eines Medieninhalts etabliert wird. Besonders hervorzuheben sind hier beispielsweise Situationen, in denen Wissensasymmetrien zwischen den Inter­aktions­partnerInnen auftreten; in denen kollektives Nicht-Wissen relevant wird oder in denen die kommemorierende Rezep­tion eines bereits bekannten Medieninhalts projiziert und ratifiziert wird. In all diesen Situationen kann die Projektion der Smartphone­integration als relevante Ressource für die Bearbeitung der entstan­denen Aufgabe und damit ein „searchable object“ als ‚suchwürdig‘ etabliert werden.

Durch die gesprächsweise Veranlassung einer smartphone-gestützten Suche entsteht ein Multiaktivitätssetting von zwei wech­selseitig miteinander verknüpften Aktivitäten (vgl. Mondada 2014: 45): die Bedienung des Smartphones, die im ‚Dienst‘ einer gemein­samen Aktivität des Gesprächs steht. Die Tatsache, dass es dabei im vorliegenden Datenmaterial nicht immer zu einer expliziten sprach­lichen Ankündigung der Suche kommt, zeigt, dass die „inference making machine“ (Sacks 1989) des Gesprächs es den Anwesenden durchaus erlaubt, den Smartphonegebrauch als sinnhafte und mit dem Gespräch verbundene soziale Handlung zu erkennen. Häufig wird der Beginn einer smartphone-gestützten Suche jedoch mit metakommunikativen Äußerungen wie „warte, ich suche es kurz“ explizit sprachlich angekündigt.6 Derartige Äußerungen projizieren die Bedienung des Geräts zunächst als individuelle Handlung, die einige Aufmerksamkeit von der InhaberIn beanspruchen wird (vgl. Keppler 2019: 219). Insbesondere dadurch, dass die sprachlichen Ankündigungen häufig zum „Warten“ auffordern, orientieren sie sich beobachtbar an den potenziell konfligierenden Anforderungen multipler Aktivitäten (vgl. Mondada 2012: 22) – hier von Smart­phonegebrauch und Gesprächsorganisation – und machen prospek­tiv erwartbar, dass die gemeinsamen Gesprächsaktivitäten eventuell unterbrochen werden müssen.

In einem übertragenen Sinn fungieren derartige sprachliche An­kündigungen des Smartphonegebrauchs als „Preliminary-to-Pre­liminaries“ (Schegloff 1980), da sie für die Anwesenden erwartbar machen, dass zur Realisierung einer projizierten Handlung – beispielsweise dem Zeigen einer digitalen Fotografie – zunächst die physische Manipulation des Geräts als ‚Vorarbeit‘ erforderlich ist. Ein zentraler Unterschied zu den von Schegloff untersuchten „Pre-Pres“ (ebd.: 113) ist jedoch, dass die angekündigten ‚Vorarbeiten‘ im Fall der Smartphoneintegration (zunächst) nicht in Form von sprachlicher Interaktion zwischen den GesprächsteilnehmerInnen geleistet wer­den. Denn auch wenn die Smartphoneintegration (oftmals) sprach­lich angekündigt und interaktiv durch Reaktionen der Anwesenden ratifiziert wird, ist es anschließend die praktische Aufgabe der SmartphoneinhaberIn, die Bedienung des mobilen Endgeräts durch­zuführen. Dass es im vorliegenden Datenmaterial (auch nach einer sprachlichen Ankündigung) so selten zu sprach­lichen Bezugnahmen auf die smartphone-gestützten Suchprozesse kommt, zeigt zum einen, dass die Handhabung des Geräts als „preliminary“ verstanden wird, das nicht „in its own right“ (ebd.) in der sprach­lichen Interaktion behandelt werden muss. Zum anderen weist es darauf hin, dass die SmartphoneinhaberIn die intra­personale Koor­dination (vgl. Deppermann 2014) der für die Smart­phonebedienung und die Teilnahme am Gespräch erforderlichen Ressourcen auf eine Art managt, die verhindert, dass die Integration des Smartphones zu kommunikativen Problemen führt (vgl. Keppler 2013: 101).

Kommt es jedoch zum Auftreten sprachlicher Bezugnahmen auf andauernde Suchprozesse, zeigt dies, dass andere Gesprächsakti­vitäten während der Suche unterbrochen werden und die Suche von den TeilnehmerInnen vorübergehend als „main activity“ (Goffman 1963: 43) der sprachlichen Interaktion behandelt wird, obwohl sie der projizierten Integration untergeordnet ist und ihr als ‚Pre‘ dient. Die Fragen, wie es zu sprachlichen Bezugnahmen auf andauernde smartphone-gestützte Suchprozesse kommt und welche Funktion­en diese Gesprächspraktiken übernehmen, werden im Zentrum der folgenden Kapitel stehen. Analytisch lassen sich dabei zwei Formen differenzieren, die sich sowohl prozedural – in der Art ihrer Reali­sier­ung durch konkrete sprachliche Praktiken – als auch funktional unterscheiden. Ihnen ist gemeinsam, dass sie das (oftmals) für andere Anwesende nicht oder nur teilweise wahrnehmbare Geschehen auf dem Smartphonedisplay sprachlich ‚vermitteln‘. So verhindern sie, dass andere Anwesende vollständig vom Suchprozess ausgeschlos­sen werden, obwohl lediglich eine Person das Endgerät physisch manipuliert (vgl. Brown/McMillan/McGregor 2015: 511). Sie unter­scheiden sich jedoch dahingehend, inwiefern sie die Inhalte und Vorgänge des Suchprozesses sprachlich zu einem interaktions­öffentlichen Geschehen machen und inwieweit sie für Anwesende Möglichkeiten schaffen, durch ihre Äußerungen einen Beitrag zum Fortschritt der Suche zu leisten.

4.1. Kollaborative Suche

Die erste Variante sprachlicher Bezugnahmen auf den Suchprozess kann mit Brown, McGregor und McMillan (2015) als kollaborative Suche bezeichnet werden. Wie bereits dargestellt, zeichnet sie sich durch die Produktion von Gesprächspraktiken aus, die es anderen Anwesenden ermöglichen, sprachlich konstitutive Beiträge zum Fortschritt der smartphone-gestützten Suchaktivität zu leisten. Anhand der folgenden Beispiele aus zwei Gruppengesprächen sollen zum einen die typischen Gesprächspraktiken der kollaborativen Su­che rekonstruiert werden. Ein besonderes Augenmerk wird darüber hinaus auf der Frage liegen, inwiefern andere Anwesende von der SmartphoneinhaberIn als ‚wissende‘ TeilnehmerInnen in Bezug auf die Suche adressiert werden bzw. sie sich selbst als solche positio­nieren, da dieser Aspekt unmittelbar für die Hervorbringung des Such­prozesses als gesprächsöffentliches Phänomen relevant ist.

Der erste Fall stammt aus einem Gespräch in einer Privatwoh­nung, in dem Gabi (G) ihren Freunden Daniel (D) und Lana (L) von einem Fernsehinterview des kanadischen Politikers Justin Trudeau berichtet, in dem dieser seinen liebsten ‚Partytrick‘ vorführt und sich vor laufender Kamera eine Treppe herunterfallen lässt.7 Aus Platz­gründen werden hier lediglich der Höhepunkt der sprachlichen Re­konstruktion des Videos (Z. 68) und die anschließenden Reaktionen der RezipientInnen gezeigt, um nachvollziehbar zu machen, wie die smartphone-gestützte Suche veranlasst wird:


 

Transkript (1): „Trudeaus Partytrick“, Teil 1

068   G:   <<lachend> und lässt sich irgendwie

           RÜCKwärts ne treppe runterfallen;>=

069   D:   =<<f>WAS?>=

070   G:   =JA ha[hahihi  ]

071   L:         [chhehehe]he

072   D:   <<f>WAS?>

073   L:   wa::s?=

074   G:   =<<lachend>das kannst du mal GOOgeln mit

           trudeau und> (-) [FALLing down the

           stai:rs; ]

075   L:                    [hm (.) wo is_n dein

              HANdy?]

076   G:             oder sowas.

Die beiden ZuhörerInnen reagieren mit verwunderter Belustigung und Unglauben auf die Erzählung (Z. 69, 71–73), woraufhin Gabi mit der Äußerung „<<lachend>das kannst du mal GOOgeln mit trudeau und> (-) FALLing down the stai:rs;“ „oder sowas“ (Z. 74, 76) die ‚Such-und-Auffindbarkeit‘ des besagten Videos durch die Nennung spezifischer Suchbegriffe formuliert. Auch wenn diese Äußerung sprachlich zunächst offenlässt, zu welchem Zeitpunkt diese Suche geschehen könnte („mal“), deutet sich bereits an Lanas in Überlap­pung produzierter Erwiderung in Z. 75 („hm (.) wo is_n dein HAN­dy?“) an, dass sie als Aufforderung zur Initiierung der Smartphone­integration verstanden und behandelt wird. Auf diese Weise bringt die sprachliche Interaktion ein ‚suchbares Objekt‘ hervor, das zwei der Anwesenden nicht bekannt ist. Lanas Frage in Z. 75 eröf­fnet anschließend zunächst eine (längere) Einschubsequenz, in der aus­gehandelt wird, welches Handy für die projizierte Suche verwendet werden soll. Diese aus Platzgründen ausgelassene Aushandlung resultiert darin, dass L im folgenden Ausschnitt eine Suchanfrage auf Daniels Handy eröffnet:

Transkript (2): „Trudeaus Partytrick“, Teil 2

116   L:   so (.) TRUdeau und party gag; oder was?

117        (0.5)

118   D:   das [REICHT wahrscheiʔ ]

119   G:       [STAI:::rs         ]oder sowas. 

120   L:   tru:::;

121        wie wird_n der geSCHRIEben?

122        mit u; [ne,]

123   D:          [u  ] de e A u.

124   L:   <<pp> u de [a;>]

125   G:              [ich] weiß nich ob der=ob du_s

           SO findest,

In Z. 116 zeigt L beginnend mit „so“ gefolgt von einer Mikropause an, dass sie nun bereit ist, die eingangs projizierte und noch ausstehende Aktivität der Suchanfrage zu eröffnen8 und macht mit „TRUdeau und party gag“ Vorschläge für mögliche Suchbegriffe. Das Frage­an­häng­sel „oder was?“ macht dabei prospektiv die Ratifikation dieses Vorschlags oder die Produktion alternativer Suchbegriffe relevant. Die Frage wird zunächst nicht als spezifisch an G – die das Video rekonstruiert hatte – adressiert verstanden, denn nach einer kurzen Pause beginnt D in Z. 118 eine vorsichtig („wahrscheinlich“) formu­lier­te Bestätigung. Er bricht die Äußerungsproduktion jedoch ab, als G in Z. 119 mit „STAI:::rs“ überlappend einen alternativen Suchbe­griff vorschlägt. Anschließend beginnt L gedehnt die erste Silbe von „Trudeau“ zu intonieren, bricht jedoch ab, und fragt nach der Schreibweise des Namens. Mit ihrer Verifikations-Frage in Z. 122 schränkt sie ihre Unsicherheit auf den ersten Vokal des Namens ein. Daraufhin buchstabiert D in Z. 123 beginnend mit diesem Buch­staben den Nachnamen des Politikers. Indem sie leise den buchsta­bier­ten Namen wiederholt,9 ratifiziert L diese Antwort. In Z. 125 äußert G in Überlappung Skepsis darüber, ob sich das ‚gesuchte Ob­jekt‘ auf diese Weise finden lässt – möglicherweise eine Orientier­ung daran, dass keine Erwiderung auf den von ihr in Z. 119 vorge­schlagenen, alternativen Suchbegriff erfolgte.

Der erste Fall zeigt bereits exemplarisch, wie die Smartphone­inhaberin durch sprachliche Displays von Unsicherheiten über die zu verwendenden Suchbegriffe oder ihre Schreibweise für andere Anwesende einen sequenziellen Kontext schafft, der es ihnen ermöglicht, durch ihre Äußerungen zum Fortschritt der Suchakti­vität beizutragen. Die Beteiligten orientieren sich dabei beobachtbar daran, welches Wissen sie bei anderen Anwesenden annehmen und relevant machen: Während die Schreibweise der Suchbegriffe als allen zugängliches Wissen behandelt wird, zeigen die Verifikations­frage der Smartphoneinhaberin und der Abbruch der Äußerungs­produktion von D in Z. 118 herabgestufte epistemische Ansprüche der nicht-wissenden TeilnehmerInnen und eine beobachtbare An­erkennung des Wissens derjenigen Interaktionsteilnehmerin, die das Video bereits kennt.

Dass dieses angenommene Wissen der TeilnehmerInnen nicht nur für den Verlauf von Such-Sequenzen relevant ist, in denen die Äußerung einer wissenden Sprecherin eine unwissende Rezipientin zur Suche veranlasst, wird am nächsten Beispiel deutlich. Der Ausschnitt stammt aus einem Gespräch zwischen fünf Freunden, die sich über ein Werbevideo für die Süßigkeit „Fruit Gushers“ unter­halten und amüsieren. Als sich zeigt, dass einem Anwesenden das Video nicht bekannt ist, kündigt Max (M) in Z. 1662 an, ihm das „witzige“ Video zu zeigen und initiiert eine Suchanfrage auf seinem Smartphone:

Transkript (3): „Fruit Gushers“

1662  M:       [wart] ich ZEIG das kurz des isch

           (irnwie) [so witzich;]

1663  B:            [superTOLL– ]

1664       (1.0)

1665  B:   ha do brauchsch

          [   awer    BRAUSCHsch  ri]

1666  M:  [WIE wird_en des gschriwe,]

1667  B:                             chtig sound

           dezu;

1668  M:   gUscha GUscha,

1669  B:   ge o O;

1670  D:   ja ich äh-

1671  B:   es HA-=

1672  D:   =ich würd_s mit fruht äh FRUIT probiere;

1673  M:   fru:i:t.

1674  D:   fru:i:t un DANN äh ge-

1675       (1.0)

1676       gu:;

1677       (1.0)

1678       ja do [isch_s schun GU:SCH]er;

1679  M:         [ja DO isch_s doch; ]

Überlappend zu dieser Bewertung produziert Bernd (B), eine der Personen, denen das Video bekannt ist, ebenfalls eine Bewertung („supertoll“, Z. 1663) und beginnt – nach einer kurzen Gesprächs­pause (Z. 1664) – eine Bedingung für die Rezeption des Videos zu formulieren. Auf diese Weise zeigt er an, dass ihm die ‚Eigenschaf­ten‘ des ‚gesuchten Objekts‘ bekannt sind. In Überlappung zu diesen Äußerungen richtet auch hier der Smartphoneinhaber M eine Frage nach der Schreibweise eines Suchbegriffs an die Anwesenden (Z. 1666). Anschließend spricht er das betreffende Wort zweimal mit steigender Intonation aus. Vergleichbare Wiederholungen von Suchbegriffen stellen eine wiederkehrende Praktik sprachlicher Bezüge auf andauernde Suchprozesse dar (vgl. Exzerpt 4, Z. 218, 219, 221; Exzerpt 5, Z. 83; Exzerpt 6, Z. 90). Eine verwandte Praktik scheint bei Wortsuchen zum Einsatz zu kommen, wenn Sprecher­Innen die Wörter unmittelbar vor einer problematischen Stelle wieder­holen (vgl. Schwitalla 1997: 84). Im Kontext smartphone-gestützter Such-Sequenzen zeigen die SmartphoneinhaberInnen durch die Wiederholung von Suchbegriffen für andere Anwesende zunächst an, dass der relevante Medieninhalt noch gesucht wird. In diesem Fall (Z. 1668) können die Fokusakzente auf der ersten Silbe von „gusher“ für die Anwesenden darüber hinaus als Hinweise dienen, welcher Teil des Wortes hier Schwierigkeiten‘ bereitet. B antwortet, indem er die Schreibweise der ersten Silbe buchstabiert (Z. 1669). An dieser Stelle ergreift Dennis (D) zunächst in Z. 1670 mit „ja ich äh-“ das Wort, bricht jedoch die Äußerungsproduktion ab und B fährt fort, „gusher“ zu buchstabieren. Vor Vollendung über­nimmt D in Z. 1672 mithilfe eines rush through (vgl. Schegloff 1982: 76) erneut das Rederecht und formuliert nun, mittels welchen Begriffs („fruit“) er die Suche durchführen würde, wobei er im selben Zug eine Selbst-Reparatur (vgl. Schegloff/Jefferson/Sacks 1977) der Aus­sprache des Begriffs vornimmt. Dennis Äußerung wird von M als Vorschlag angenommen, denn er wiederholt den neuen Suchbegriff, indem er die einzelnen Vokale des englischen Wortes gedehnt aus­spricht (Z. 1673). Diese Aussprache wird von D anschließend in Z. 1674 zunächst ratifizierend reproduziert, bevor auch er beginnt, die Schreibweise von „gusher“ zu buchstabieren. Die Äußerung wird jedoch nicht vollendet, es entsteht eine kurze Pause, bevor er die erste Silbe des Wortes gedehnt ausspricht. Nach einer erneuten Pause produziert D nun in Z. 1678 eine deiktisch formulierte Äußer­ung, dass „do“ das gesuchte Objekt „schun“ sei. Aufgrund der Art, wie dieses noticing formuliert und vom Smartphoneinhaber über­lappend bestätigt wird, lässt sich schließen, dass sich das Display (spätestens) zu diesem Zeitpunkt im geteilten visuellen Wahrneh­mungsraum der beiden Gesprächspartner befinden muss.10

In beiden Fällen finden sich die typischen Methoden, mittels derer eine smartphone-gestützte Such-Sequenz interaktiv als ge­meinsame Aktivität hervorgebracht wird. In der Art und Weise, wie dies geschieht, zeigen sich Analogien zu Goodwins (1987) Analysen von „forgetfulness as an interactive resource“: So wie sich die Erzählerin einer Geschichte durch Displays von ‚Vergesslichkeit‘ an dem unterstellten Wissen Anwesender orientiert und für diese Mög­lichkeiten schafft, zur Produktion der Erzählung beizutragen, so produziert die SmartphoneinhaberIn während einer Suche – die sprachlich zunächst als individuelle Handlung projiziert wurde – Displays von ‚Unsicherheit‘ bezüglich der zu verwendenden Such­begriffe oder ihrer Schreibweise. Darüber hinaus werden in der Kollektion bezüglich des geeigneten „virtuellen“ Orts der Suche (bspw. einer Social-Media-Applikation) oder der Auswahl der Such­ergebnisse ‚Unsicherheiten‘ angezeigt. Indem diese ‚problema­tischen Dimensionen‘ der Suche sprachlich explizit benannt und andere Anwesende mit Fragen adressiert werden, erhält die Suche eine ‚Prominenz‘ in der sprachlichen Interaktion, die sie anderweitig als ‚notwendige Vorarbeit‘ für eine „mobile-supported sharing acti­vity“ (Raclaw/Robles/DiDomenico 2016) nicht erhalten würde: Die gemeinsame Bearbeitung problematischer Aspekte der Suchak­tivität wird vorübergehend als „main activity“ (Goffman 1963: 43) des Gesprächs hervorgebracht. Auffallend ist, dass für spezifische inhalt­liche Dimensionen der Suche alle Anwesenden als ‚wissende Teil­nehmerInnen‘ behandelt werden können (bspw. die Schreibweise von Suchbegriffen), während in anderen Fällen nur bestimmte Anwesende als wissende RezipientInnen in Frage kommen (bspw. diejenigen, denen das ‚gesuchte Objekt‘ bereits bekannt ist, wenn es um die Auswahl der passenden Suchbegriffe geht).

Indem die SmartphoneinhaberIn andere Anwesende mit ihren Displays von Unsicherheit adressiert, werden für diese – weit­gehend unabhängig davon, ob sie über visuellen Zugang zum Smart­phone verfügen oder nicht – Möglichkeiten geschaffen, durch sprachliche Äußerungen konstitutive Beiträge für den Fortschritt der Such-Sequenz zu leisten. Oftmals entstehen so kurze Frage-Antwort-Ratifikations-Sequenzen, in deren Verlauf die ‚Inhalte‘ der Suchanfrage interaktiv ausgehandelt werden (können). Bis dato wurde dabei vor allen Dingen hervorgehoben, wie die sprachliche Interaktion während des Smartphonegebrauchs durch die Äußer­ungen der SmartphoneinhaberIn strukturiert wird (vgl. Brown/ McGregor/McMillan 2015: 512; Keppler 2013: 95). Zum einen wird dies mit dem oftmals exklusiven physischen und visuellen Zugriff der SmartphoneinhaberIn auf das mobile Endgerät begründet. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die SmartphoneinhaberIn vor der praktischen Aufgabe steht, die für die interaktiv relevant gewordene Suche notwendigen physischen Manipulationen des Geräts durchzuführen. Zum anderen erfolgt die Strukturierung dadurch, dass die SmartphoneinhaberIn während der kollabo­rativen Suche erste Paarteile von Adjazenzpaaren (insb. Fragen und Vor­schläge) produziert, die im unmittelbaren Anschluss bestimmte Erwiderungen erwartbar machen, was sie insbesondere für das „close ordering“ (Schegloff/Sacks 1973: 297) von Gesprächsepisoden geeignet macht. Die hier diskutierten Fälle zeigen, dass durchaus auch andere Anwesende beobachtbar ihr ‚Wissen‘ über das ‚gesuchte Objekt‘ relevant machen: Indem sie beispielsweise selbst-initiiert alternative Vorschläge für Suchbegriffe oder kritische Evaluationen einer Suchstrategie produzieren, erheben sie Ansprüche darauf, diese Such-Sequenzen mitzustrukturieren. Typisch für die kollabo­ra­tive Suche ist dabei jedoch, dass sich auch diese Beiträge meist auf die von der SmartphoneinhaberIn sprachlich problematisierten Di­mensionen des Suchprozesses beziehen.

Auch wenn durch die Gesprächspraktiken der kollaborativen Suche in vielen Fällen ein gemeinsamer Fokus auf den Suchprozess hervorgebracht und bis zum Finden des gesuchten Objekts aufrecht­erhalten wird, treten diese Praktiken auch gemeinsam mit anderen sprachlichen Bezugnahmen auf den Suchprozess auf, die für andere TeilnehmerInnen keine Möglichkeiten schaffen, konstitutive Bei­träge zum Fortschritt der Suche zu leisten. Dies soll an folgendem Beispiel aus einem Gespräch zwischen den zwei Freundinnen Britta (B) und Nicole (N) gezeigt werden, in dem sie sich über die Vorzüge einer neuartigen Fritteuse unterhalten. In den Z. 202 und 204 äußert N die Vermutung, dass diese Fritteuse „super viel“ Geld koste, woraufhin B sie in den Z. 206–207 nach ihrer Einschätzung des Preises fragt.

Transkript (4): „Heißluftfritteuse“

202   N:   ja aber ich glaub diese fritteuse KOStet

           halt schon echt-

203        (1.6)

204        SUper viel kohle.

205        (0.7)

206   B:   wie VIEL? (.)

207        was GLAUBste?

208        (1.3)

209   B:   ((spricht mit vollem mund)) <<all>WART

           ich googel ma kurz;>

210        (4.2)

211   N:   <<:-)>ja: ALso was: (.) brauch ich denn

           jetzt (.) alles,>

212        (0.5)

213   N:   ich hab schon: (1.2) die BOHnen ge:kau:ft;

214        (0.3)

215   B:   PHIlips (.) war des; gell,

216   N:   <<p>ja;>

217        (0.9)

218   B:   <<p>fritteuse;> (.)

219        <<p>fri:->

220        (1.2)

221   N:   macht [de:r            ]

222   B:         [<<pp>fritteuse,>]

223   N:                            °h STEffen

           henssler für werbung (.) momentan;

224        (1.9)

225   B:   die HEIßluft fritteuse?

226        (-)

227   N:   zeig ma;

Als auch nach einer über einsekündigen Stille keine Antwort von N erfolgt, kündigt B in Z. 209 mit „<<all>WART ich googel ma kurz;>“ die Initiierung einer Online-Suche an. Im Anschluss entsteht zu­nächst eine mehrsekündige Gesprächspause, woraufhin N als nächs­tes mehrere Äußerungen (Z. 211–213) produziert, die sich auf das Vorhandensein von Kochzutaten beziehen. Die Aufforderung zu „warten“ und die Projektion der Suche als individuelle Aktivität eröffnen hier für die Person, die nicht das Smartphone bedient, Frei­heiten, sich einer anderen Aktivität zu widmen. Auf der Ebene der sprachlichen Interaktion lässt sich (zumindest vorübergehend) auf eine divergierende Orientierung der Teilnehmerinnen an unter­schiedlichen Aktivitäten schließen. Mit ihrer nächsten Äußerung in Z. 215 produziert die Smartphoneinhaberin zunächst eine deklara­tive Äußerung, die sie mithilfe eines Frageanhängsels als Verifika­tions-Frage an N adressiert. Die Rückversicherung nach dem Her­steller der gesuchten „Fritteuse“ wird von N ratifiziert (Z. 216). Der wei­tere Gesprächsverlauf zeigt, dass sich die sprachlichen Äußer­ungen der Teilnehmerinnen im Anschluss an diese kurze Paarse­quenz nun wieder thematisch auf die Suchanfrage beziehen. In den Z. 218, 219 und 222 produziert die Smartphoneinhaberin mit gesenkter Lautstärke Wiederholungen des Suchbegriffs „Fritteuse“, wobei in Z. 219 lediglich die erste Silbe des Wortes realisiert wird, und N produziert die Kontextinformation, dass der TV-Koch „Stef­fen Henssler“ für die gesuchte Fritteuse Werbung macht. Möglicher­weise wird diese Äußerung als Vorschlag für weitere Suchbegriffe oder Hinweis zur Identifikation des gesuchten Objekts produziert, es erfolgt jedoch keine hörbare Erwiderung durch die Smartphone­inhaberin. Nach einer knapp zweisekündigen Pause nennt B mit fra­gender Intonation mit „die HEIßluft fritteuse?“ den Namen eines konkreten Produkts als „try-marked recognitional“ (Schegloff/Sacks 1979: 18–21) des ‚gesuchten Objekts‘, woraufhin N sie in Z. 227 mit „zeig ma“ dazu auffordert, ihr einen visuellen Zugang zum Display und damit eine Identifikation des Produkts zu ermöglichen.

Der letzte Fall zeigt exemplarisch, dass sich andere Anwesende durchaus an der als individuelle Aktivität projizierten Suche auf di­vergierende Weise orientieren und beobachtbar ein Engagement an einer anderen Aktivität aufnehmen. Die thematische Entwicklung des Gesprächs zeigt, dass die ‚Unsicherheitsdisplays‘ der kollabora­tiven Suche – indem sie methodisch als erste Paarteile von Adja­zenzpaaren produziert werden – das Funktionspotenzial besitzen, der Entwicklung einer divergierenden Aufmerksamkeitsfokussier­ung entgegenzuwirken (vgl. dazu ‚Vergesslichkeitsdisplays‘ als Res­source, die Schisma-Bildung in Gruppengesprächen zu verhindern, Goodwin 1987: 217). Indem inhaltliche Dimensionen der Suche sprachlich explizit problematisiert und Anwesende adressiert wer­den, wird die Bearbeitung dieses ‚Problems‘ als etwas hervorge­bracht, dass im Zentrum der gemeinsamen Aktivitäten der Anwe­senden steht. Darüber hinaus zeigt sich jedoch auch, dass nicht alle sprachlichen Bezugnahmen der SmartphoneinhaberInnen auf den Suchprozess sprachliche Erwiderungen erforderlich machen. Sie produzieren suchbegleitende Kommentare, die andere Anwesende nicht adressieren, aber dennoch eine wichtige Funktion dafür über­nehmen, den Verlauf des Suchprozesses für diese accountable zu machen. Diese Praktiken sollen im Zentrum des folgenden Kapitels stehen.

4.2. Suchbegleitende Kommentierung durch die Smartphone­inhaberIn

Charakteristisch für die Gesprächspraktiken der suchbegleitenden Kommentierung ist, dass diese Äußerungen keine konditionellen Relevanzen in dem Sinne entwickeln, dass sie Erwiderungen der InteraktionspartnerInnen erforderlich machten. Als Form eines „online commentary“11 gewähren die begleitenden Kommentare der SmartphoneinhaberIn anderen Anwesenden zu einem geringen Grad Zugang zu ihrer Wahrnehmung der Geschehnisse auf dem Ge­rätedisplay und formen so die Erwartungen der Anwesenden über den Verlauf des Suchprozesses. Im Folgenden sollen an zwei wei­teren Fällen die typischen Praktiken, mittels derer die suchbeglei­tende Kommentierung hervorgebracht wird, rekonstruiert werden.

Der erste Ausschnitt stammt aus einem Gespräch zwischen den Freunden Luise (L) und Peter (P), in dem sie sich über auf Instagram veröffentliche Urlaubsfotos eines befreundeten Pärchens und des­sen Beziehungsstatus unterhalten. Sie haben bereits zwei der Fotos gemeinsam auf dem Smartphone von L betrachtet und diskutiert, wie „glücklich“ das Paar wirkt. Eine von P eingangs erwähnte Foto­grafie wurde jedoch noch nicht gefunden:

Transkript (5): „Nadjas Urlaub“

76   L:   warte ich guck ma-=

77        =ich will das FOto sehen;

78        was is DES für_n,

79        AH: (.) die-

80        (10.6)

81   L:   <<lachend> die is> so SÜß_ich- °h

82        ähm warte <<all>ich GUCK ma;>

83        nadja nadja nadJA nadja,

84        am BEsten muss ich_se suchen; ne?

85        (1.3)

86   P:   nadi NAdi heißt sie doch glaub ich;=

87        =QUEENnadi.

In den Z. 76–77 projiziert Luise die erneute Initiierung eines Such­prozesses, indem sie Peter auffordert zu „warten“, und ankündigt, etwas zu „gucken“. Mithilfe eines rush through ergänzt sie im un­mittelbaren Anschluss eine Formulierung des Zwecks der Smart­phonenutzung („ich will das FOto sehen;“) – womit L accountable macht, dass sie erneut das von P erwähnte Foto sucht. Im weiteren Verlauf werden zunächst lediglich von Luise sprachliche Äußer­ungen produziert: In Z. 78 produziert sie eine Äußerung, die in ihrer Formatierung und Tonhöhenverschiebung als Frage erscheint, deren Referent lediglich deiktisch („was is DES für_n?“) bezeichnet wird. Auf dieser Datengrundlage lässt sich nur spekulieren, ob hier beispielsweise nach einem Nutzername oder Posting gefragt wird. Peter pro­duziert keine hörbare Erwiderung – stattdessen ist es Luise selbst, die in Z. 79 mit „AH: die-“ eine fragmentarische Antwort mit einem change-of-state token (vgl. Heritage 1984) in der initialen Position zu formulieren scheint.12 Nach einer mehr als zehnsekündigen Stille formuliert L in Z. 81 nun amüsiert eine positive Bewertung eines erneut lediglich deiktisch bezeichneten Referenten („die ist so SÜß“). Mit den anschließenden Äußerungen in Z. 82 und 83 scheint sie diese Bewertung als etwas Rechtfertigungsbedürftiges zu behan­deln: Sie fordert P erneut zum „Warten“ auf, reformuliert den Zweck der Gerätebedienung und produziert anschließend mit steigender Intonation eine mehrfache Wiederholung des Namens der gesuch­ten Person. Auf diese Weise wird sprachlich eine ‚Rückkehr‘ zum ‚eigentlichen‘ Zweck der Bedienung – der Suche nach einem Bild von „Nadja“ – accountable gemacht. Durch Luises in Z. 84 formu­lierten Vorschlag für das weitere Vorgehen, der mit einer „tag ques­tion“ als Verifikations-Frage an P adressiert wird, endet die Phase des suchbegleitenden Kommentierens: Nach einer kurzen Pause ra­tifiziert P das vorgeschlagene Vorgehen, indem er in Z. 86 zunächst einen Vorschlag für den Account-Namen von „Nadja“ produziert, der jedoch durch „glaub ich;“ in der turn-finalen Position episte­misch herabgestuft wird. Mittels eines rush through formuliert er in Z. 87 eine selbst-initiierte Selbstreparatur (vgl. Schegloff/Sacks/Jefferson 1977: 366), die eine Reformulierung des Accountnamens enthält. Auf diese Weise wird im Folgenden eine kollaborative Suche nach dem Profil und der Fotografie eröffnet.

Dieser erste Fall zeigt bereits einige für die suchbegleitende Kom­mentierung typische Gesprächspraktiken. Ähnlich der kollaborati­ven Suche produziert die Smartphoneinhaberin eine Frage, die sich auf den Verlauf der Suche zu beziehen scheint. Im Unterschied zur kollaborativen Suche wird der Referent dieser Äußerung jedoch nicht explizit bezeichnet – welcher inhaltlichen Dimension des Suchvorgangs die Frage als Display von Unsicherheit gilt, wird zu­mindest sprachlich nicht accountable gemacht. Typisch ist dabei auch, dass derartige Äußerungen der SmartphoneinhaberIn nicht als an Anwesende adressiert behandelt werden – das Ausbleiben einer Erwiderung wird nicht als ‚bemerkenswerte Abwesenheit‘ (vgl. Sacks 1972: 341) behandelt. Zusätzlich markiert die deiktische Beant­wortung der ‚Frage‘ retrospektiv die Selbstgerichtetheit der voran­gegangenen Äußerung. Auf dieser Datengrundlage lässt sich nicht rekonstruieren, ob und inwiefern andere Anwesende während der suchbegleitenden Kommentierung einen visuellen Zugang zum Smartphonedisplay haben. Das Ausbleiben von Antworten auf deik­tisch formulierte Fragen kann jedoch als Hinweis darauf dienen, dass für andere Anwesende die Bedingungen (Sicht auf das Display) für sinnhafte Erwiderungen (bspw. Antworten oder zweite Bewer­tungen) nicht hergestellt werden (vgl. Pomerantz 1984: 58 f.). Kenn­zeichnend für die kurzen Phasen der suchbegleitenden Kommen­tierung ist eine gelockerte Verpflichtung zur wechselseitigen Adres­sierung bzw. Bezugnahme auf die sprachlichen Äußerungen Ande­rer – ihre Praktiken dienen nicht der Hervorbringung dialogischer Strukturen, sondern ermöglichen anderen Anwesenden sprachlich einen rudimentären Zugang zu den Wahrnehmungen der Smart­phoneinhaberIn der Vorgänge auf dem Gerätedisplay.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass für Anwesende überhaupt keine Möglichkeiten der Bezugnahme auf die Äußerungen der Smart­phoneinhaberInnen bestehen. Dies zeigt der folgende Ausschnitt aus einem Gespräch zwischen zwei Freundinnen in einem Café. Berta (B) hatte Susie (S) angekündigt, ihr von ihrem Geburtstag erzählen zu wollen, wofür sie ihr gespeicherte Textnachrichten von ihrem Ex-Freund zeigen wollte. Nach Ankündigung der Suche ver­lässt S jedoch zunächst kurz den Tisch, um sich ein neues Getränk zu bestellen. Als sie zurückkommt, sprechen die zwei zunächst über den Bestellvorgang, bevor eine elfsekündige Gesprächspause (Z. 78) entsteht:

Transkript (6): „Geburtstag“

78        (11.0)

79   S:   kann isch erst mal fragen wa=um WEN_s geht

          bevor ich jetzt hier gleich (rEInschaue),

80   B:   s PFLÄUMchen;

81   S:   ahso Okay (.) na gut.

82        (2.0)

83   B:   oh isch FIND_s nich;

84   S:   <<h>OAH:> so ein scheiß;

85        (--)

86   B:   ah ja genau weil ich_s <<:-)>ja im FACEbook

          stehen hab;>

87   S:   haha [hh

88   B:        [mhmh hh hi hi

89        (5.0)

90   B:   wo issa wo issa?=

91        =da;

92        also an meinem geBURTStach hab ich (      )

Nach der Pause ist es zunächst S, die mit einer Frage nach der Person der Geschichte (Z. 79) eine Einschubsequenz initiiert, die durch „erst mal“ explizit als solche gekennzeichnet wird. B beant­wortet die Frage mit der Nennung eines Spitznamens ihres Ex-Freunds (Z. 80). Die Ratifikation der Antwort in Z. 81 zeigt, dass es sich um einen gemeinsamen Bekannten handelt. Nun entsteht zu­nächst eine zweisekündige Gesprächspause, nach der B in Z. 83 be­richtet, dass sie den gesuchten Medieninhalt nicht „finden“ kann. Diese Äußerung formuliert zum einen den Status der Suche und fungiert zum anderen als retrospektiv orientierter Account für den bis hierhin erfolglosen Suchprozess. S produziert daraufhin in Z. 84 mit „OAH: so ein scheiß-“ eine negative Bewertung. Nach einer erneuten kurzen Gesprächspause produziert L nun – eingeleitet durch einen ‚entschuldigenden‘ change-of-state token (vgl. Heritage 1984) „ah ja genau“ – eine Erklärung als Account für die Schwierig­keit beim ‚Finden‘ des gesuchten Medieninhalts („weil ich_s ja im FACEbook stehen hab“), woraufhin beide Teilnehmerinnen begin­nen zu lachen (Z. 87–88). Diese Erklärung repariert die kurzzeitig in Zweifel geratene ‚Auffindbarkeit‘ des ‚gesuchten Objekts‘. An­schließend entsteht erneut eine fünfsekündige Stille (in der B ver­mutlich weiter nach den Nachrichten sucht). In Z. 90 fragt sie nun zweimal „wo“ der gesuchten Medieninhalte „ist“, bevor sie mit schnellem Anschluss in Z. 91 selbst antwortet, ihn gefunden zu haben („da“). Im Anschluss an diese hörbare Beendigung des Such­prozesses initiiert B in Z. 92 nun erkennbar durch das back-linking token (vgl. Schegloff 1996: 69) „also“ die Wiederaufnahme einer auf­grund des Suchprozesses unterbrochenen Gesprächsaktivität – der Erzählung von ihrem Geburtstag.

Anhand dieses Ausschnitts zeigt sich zum einen, dass andere Anwesende durchaus auf die suchbegleitende Kommentierung der SmartphoneinhaberIn sprachlich Bezug nehmen: Hier, indem die angezeigten Probleme beim Finden des ‚gesuchten Objekts‘ negativ bewertet werden, was die Relevanz der Suche für eine gemeinsame Aktivität aktualisiert. Während die Bewertung eine Erklärung als Account evoziert – sich also eine wechselseitige Bezugnahme der sprachlichen Äußerungen beobachten lässt, ist der zentrale Unter­schied zur kollaborativen Suche der, dass die Beiträge anderer An­wesender hier nicht als konstitutive Beiträge zum Fortschritt der Su­che gerahmt werden. Auch treten erneut Äußerungen der Smart­phoneinhaberIn auf, die für eine BeobachterIn als Frage („wo issa“) erscheinen mögen, aber durch diese selbst ‚beantwortet‘ werden und so als selbstgerichtet behandelt werden. Zum anderen zeigt dieser Ausschnitt erneut das wiederholte Auftreten mehrsekündiger Gesprächspausen während der Bedienung des mobilen Endgeräts – hier widmet sich die Anwesende jedoch nicht einer anderen Akti­vität, sondern stellt der Smartphoneinhaberin eine Frage, die für das Verständnis der projizierten Geschichte relevant ist. Derartige durch andere Anwesende initiierte Einschubsequenzen bestehend aus Fragen nach Kontextinformationen zum ‚gesuchten Objekt‘ treten insbesondere dann auf, wenn längere Gesprächspausen dadurch entstehen, dass die SmartphoneinhaberIn weder eine suchbeglei­tende Kommentierung aufrechterhält, noch eine kollaborative Su­che initiiert. Sie lassen auf eine normative Orientierung der Teilneh­merInnen daran schließen, dass es an den ‚wissenden‘ Gesprächs­teilnehmerInnen ist, durch sprachliche Äußerungen accountable zu machen, welche Relevanz der gesuchte Medieninhalt für die Ge­sprächsaktivität hat, in die der Suchprozess eingebettet ist (vgl. Kep­pler 2019: 180).

Während die suchbegleitende Kommentierung durchaus auch bei der Suche nach (teil-)öffentlich ‚auffindbaren Objekten‘ auftritt, kommt es insbesondere zu ihrer Realisierung, wenn private Inhalte wie beispielsweise Textnachrichten oder lokal gespeicherte Foto­grafien gesucht werden. Charakteristisch für ihre methodische Hervor­bringung ist, dass die SmartphoneinhaberIn simultan zur alleinigen Bedienung des Geräts Äußerungen produziert, mit denen sie den Suchverlauf beschreibt oder evaluiert, sowie selbst-adressierte Fragen stellt, die auf (vorübergehende) Probleme beim Finden des ‚gesuchten Objekts‘ hinweisen. Andere Anwesende werden nicht als ‚wissende RezipientInnen‘ adressiert, die verbal konstitutive Beiträ­ge zum Fortschritt der Suche leisten könnten – die suchbegleitende Kommentierung schafft für andere Anwesende lediglich einen rudi­mentären Zugang zu den Wahrnehmungen der Geschehnisse auf dem Smartphonedisplay. Da die ‚problematischen‘ Details der Suche dabei (meist) nicht explizit sprachlich bezeichnet werden, verblei­ben sie etwas, das nur der SmartphoneinhaberIn zugänglich ist. Ge­sprächsöffentlich wird lediglich, dass der Suchprozess noch nicht abgeschlossen ist und sich eventuell unvorhergesehene Ver­zö­ger­ungen ergeben.

5. Fazit

Wenn durch ein Gespräch die Suche nach einem Medieninhalt auf dem Smartphone veranlasst wird, entsteht ein Multiaktivitätssetting, in dem zwei Aktivitäten unmittelbar miteinander in Beziehung steh­en (vgl. Mondada 2014): Die Bedienung des Smartphones steht ‚im Dienst‘ des Fortschritts einer Aktivität der sprachlichen Interaktion zwischen den Anwesenden. Ziel dieses Aufsatzes war die Unter­suchung der sprachlichen Praktiken, die von den TeilnehmerInnen als Methoden eingesetzt werden, andauernde Suchprozesse mit dem gemeinsamen Gespräch zu koordinieren.

Es wurden zwei Typen dieser sprachlichen Bezugnahmen auf die Suche identifiziert: Indem die SmartphoneinhaberIn sprachlich ex­plizit Details des Suchvorgangs ‚problematisiert‘und Anwesende als ‚wissende RezipientInnen‘ adressiert, werden für diese Möglich­keiten geschaffen, verbal konstitutive Beiträge zum Fortschritt des Suchprozesses zu leisten und dieser so als kollaborative Suche her­vorgebracht. Die suchbegleitende Kommentierung durch die Smart­phoneinhaberIn erfüllt für andere Anwesende dagegen vor allem eine Anzeigefunktion, indem es einen rudimentären sprachlichen ‚Zugang‘ zu den Wahrnehmungen der SmartphoneinhaberIn ermög­licht und somit den Status der Suche nachvollziehbar macht. Da die problematischen Dimensionen des Suchprozesses hier jedoch sprachlich meist nicht explizit bezeichnet und die Fragen als selbst­gerichtete Äußerungen von den InteraktionsteilnehmerInnen be­handelt werden, entstehen für andere Anwesende keine Möglich­keiten, verbal einen konstitutiven Beitrag zum Fortschritt zu leisten. Die Praktiken der begleitenden Kommentierung übernehmen vor allen Dingen eine Accounting-Funktion für die ansonsten potenziell opake Gerätebedienung.

Die zwei Typen sprachlicher Bezüge auf den Suchprozess wur­den analytisch voneinander getrennt; sie treten jedoch auch ge­meinsam im Verlauf des Suchprozesses auf (vgl. Exzerpt 5 und 6), sodass – abhängig von den Formulierungsdynamiken – situativ die Strategien und Inhalte der Suche in unterschiedlichem Maße ge­sprächsöffentlich und damit accountable gemacht werden. Mit der lokalen Realisierung dieser Praktiken verändert sich in feinen Abstufungen und im Vollzug der Interaktion auch die Privatheit des Smartphones in dem Sinne, dass Anwesenden durch den Einsatz sprachlicher Ressourcen einen Zugang zu den Geschehnissen auf dem Display des Gerätes gewährt wird – oder lediglich erkennbar wird, dass die SmartphoneinhaberIn gerade mit der Suche beschäf­tigt ist.

Eine konversationsanalytische Untersuchung der sprachlichen Interaktion während des Smartphonegebrauchs in Face-to-Face-Interak­tio­nen sensibilisiert den Blick dafür, welche Rolle der Einsatz sprach­licher Ressourcen dabei spielt, den Gebrauch eines mobilen End­geräts – das für die Bedienung durch eine einzelne NutzerIn opti­miert ist (vgl. Brown/McGregor/McMillan 2015: 516) – als soziale Handlung sinnhaft verständlich zu machen. Diese methodologische Herangehensweise ist insbesondere geeignet, diejenigen Inter­ak­tionsepisoden zu analysieren, in denen Such­prozesse vorüber­geh­end zur „main activity“ der sprachlichen Interaktion werden, also eine „exclusive order“ (Mondada 2014: 64) der Aktivitäten des Smartphonegebrauchs und der Unterhaltung hervorgebracht wird. Diese Herangehensweise verdeutlicht jedoch gleichzeitig auch, dass es empirisch häufiger zur parallelen und eingebetteten Koordination (vgl. ebd.: 69 f.) der Bedienung mobiler Endgeräte mit alltäglichen Gesprächen kommt. Zukünftig sollte deshalb basierend auf Videoaufzeichnungen das Zusammenspiel sprachlicher, verkör­perter, materieller und räumlicher Ressourcen untersucht werden, durch das diese Formen ermöglicht werden. Auf diese Weise ließe sich ein tieferes Verständnis davon entwickeln, wie Menschen in ihrem Alltag routiniert und kompetent Smart­phones in gemeinsame Gesprächsaktivitäten integrieren, ohne dass dies zur Entstehung von Problemen in der Kommunikation führte (vgl. Keppler 2013: 101).

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[1]     Mit dem Begriff „SmartphoneinhaberIn“ wird im Folgenden die Person bezeich­net, die das mobile Endgerät physisch manipuliert. Ich erkenne an, dass diese Bezeichnung potenziell missverständlich ist: Sie wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet, um die Verwendung von Relativsätzen, bspw. „Interak­tionsteilnehmerIn, die das Smartphone bedient“, zu vermeiden. Auch wenn die Person, die ein Smartphone bedient, meist BesitzerIn dieses Geräts ist, stellt dies keine notwendige Bedingung für die Verwendung des Begriffs in diesem Aufsatz dar.

[2]    Ohne visuellen Zugriff zum Display wird durch die Bediengesten für andere Anwesenden zwar erkennbar, dass das Smartphone bedient wird; ohne weitere sprachliche Kommentierungen wird jedoch nicht accountable, was genau getan wird.

[3]    Ein Großteil des Korpus besteht aus von mir angefertigten Aufzeichnungen, ein kleinerer Teil wurde mir dankenswerter Weise von TeilnehmerInnen universi­tärer Lehrveranstaltungen zur Verfügung gestellt.

[4]    Wie bereits erwähnt findet sich im Unterschied zur Studie von Porcheron, Fischer und Sharples (2016b) in meinem Korpus kein einziger Fall der Sprach­steuerung eines IPA. Derartige Suchprozesse sind deshalb nicht Bestandteil der folgenden Analysen.

5    Alle Transkriptausschnitte wurden anonymisiert, sodass kein Rückschluss auf die beteiligten Personen möglich ist.

6    Zur Organisation von Ankündigungssequenzen, mit denen der divergente Ge­brauch mobiler Endgeräte in Face-to-Face-Interaktionen sprachlich eingeleitet wird, vgl. Oloff 2019a: Kap. 3.1 und 4.

7    Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=y2mrFBLzuIs.

8    Die Verwendung von „so“ in diesem Fall entspricht der von Bolden (2009) für englischsprachige Alltagsgespräche identifizierten Verwendung von „so“ in turn-initialer Position „to mark the upcoming course of action as having been pending“ (Bolden 2009: 979).

9    Ob diese Äußerung außerdem für die Anwesenden accountable macht, das L ihre Aufmerksamkeit wieder verstärkt der Bedienung des Geräts widmet und „was“ sie nun in die Suchmaske eingibt, lässt sich nicht anhand der Audioauf­zeichnung beurteilen. Lediglich die deutlich gesenkte Lautstärke ihrer Äußer­ung stellt einen Hinweis auf ihr reduziertes Engagement an der sprachlichen Interaktion dar. Wie sich in weiteren Transkripten zeigen wird, scheint es sich jedoch durchaus um eine typische Praktik zu handeln, die Eingabe von „Such­begriffen“ mit einer „typing voice“ (Komter 2006: 208) zu verbalisieren. Diese Äußerungen können als Display des Verständnisses der SmartphoneinhaberIn eines vorangegangen turns und gleichzeitige Demonstration dessen dienen, was auf dem Display eingegeben wird (vgl. ebd. 207). Inwiefern Bediengesten und sprach­liche Äußerungen dabei miteinander synchronisiert werden, ließe sich lediglich durch die Kombination von Videoaufzeichnungen und Screen-Capture-Auf­nahmen beantworten.

10  Es lässt sich nur darüber spekulieren, ob D bereits früher visuellen Zugriff auf das Display hatte und die unterbrochene Buchstabierung des Suchbegriffs (Z. 1674, 1676) und die Gesprächspausen (Z. 1675, 1677) mit der Beobachtbarkeit der Bildschirmaktivitäten zu erklären sind.

11   Der Begriff des „online commentary“ stammt ursprünglich aus der Analyse von Arzt-Patienten-Interaktionen und bezeichnet eine Gesprächspraktik, „that de­scribes or evaluates what the physician is seeing, feeling or hearing during the physical examination of the patient“ (Heritage/Stivers 1999: 1501).

12  Aufgrund der fehlenden wechselseitigen Bezugnahmen der TeilnehmerInnen aufeinander ist es hier nicht möglich, die Interpretationen mittels der „next turn proof procedure“ (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974: 728) in den Daten zu veran­kern. Zentrale Ressource für die Interpretation sind die methodisch produzier­ten und beobachtbaren Bezugnahmen der SmartphoneinhaberIn auf ihre eigen­en Äußerungen sowie Common Sense-Annahmen des Forschers. An derartigen Herausforderungen der Interpretation zeigen sich zum einen Limitationen der Untersuchung dieses Phänomens basierend auf Audioaufnahmen. Zum anderen verweisen sie auf eine gewisse ‚Blindheit‘ der „next turn proof procedure“ dafür, dass „the body is frequently displaying understanding and stance“ (Goodwin/ Salomon 2019: 6).