Vol 5 (2023), No 1: 113–118

DOI: 10.21248/jfml.2023.56

Rezension

Brommer, Sarah/Dürscheid, Christa (2021): Mensch. Maschine. Kommunikation. Beiträge zur Medienlinguistik. Tübingen: Narr Francke Attempto. 277 Seiten. € 58,00  ISBN: 978-3-8233-8471-7 DOI: http://doi.org/10.24053/9783823394716

Tanja Jeschke

Der inhaltlich umfassende Sammelband von Sarah Brommer und Christa Dürscheid bündelt vorrangig Forschungsarbeiten von Studierenden, die sich im Feld der Mensch-Mensch- und Mensch-Maschine-Kommunikation in einer sich stetig technisch weiterentwickelten Welt verorten. Die Forschungsarbeiten, die im Rahmen des Seminars Mensch. Maschine. Vertrauen. an der Universität Zürich im Wintersemester 2019 entstanden sind, nehmen verschiedene Kommunikationssituationen und aktuelle Phänomene in den Blick, die bis dato noch als Forschungsdesiderate zu konstatieren sind: z. B. (A) Formen interpersonaler Mensch-Maschine-Kommunikation in medialen Formaten wie WhatsApp oder Tinder, (B) Perspektiven auf Streitgespräche mit Robotern oder die Frage nach Vertrauen im Umgang mit Pflegerobotern, (C) Kommunikationssituationen mit Siri oder Smart Homes und (D) Biohacking als technische Entwicklung in Bezug auf das Einsetzen von u. a. Chips in den menschlichen Körper. Insgesamt beinhaltet der Band zwölf Beiträge, die sich überwiegend zunächst aus linguistischer Perspektive den Forschungsgegenständen nähern und diese dann weiterführend in ethische Fragen und gesellschaftspolitische Zusammenhänge einbetten. Die empirischen Studien sind sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgerichtet und im Rahmen des Forschenden Lehrens und Lernens entstanden. Die Forschungsprojekte sind explorativ angelegt und forschungsmethodologisch innovativ konzipiert und ausgewertet wor­den. Bisher liegen nur wenige Forschungsarbeiten in diesem Bereich vor, die systematisch und vorrangig medienlinguistisch ausgerichtet sind (vgl. Lotze 2016, Antos 2017).

Der Sammelband gliedert sich thematisch in vier Abschnitte:

(A)  Mensch-Mensch-Kommunikation via Maschine,

(B)  Mensch-Maschine-Kommunikation I: Kommunikation mit Robotern,

(C)  Mensch-Maschine-Kommunikation II: Kommunikation mit Assistenzsystemen und

(D) Exkurs: Mensch. Maschine. Menschmaschine.

In der Einleitung arbeiten Sarah Brommer und Christa Dürscheid (7–27) die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen heraus: Im Gegensatz zu Menschen sind Maschinen nicht in der Lage, menschliche Emotionen und Stimmungen zu verstehen, wenngleich sie in diesem Zusammenhang sehr präzise Antworten und strukturierte Reaktionen zeigen. Die Autorinnen diskutieren auch die Frage, wie die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine verbessert werden kann, indem z. B. durch Fortschritte der KI-Entwicklung menschliche Emotionen besser verstanden oder Sprachassistenten immer menschenähnlicher agieren.

In Abschnitt (A) werden Phänomene fokussiert, bei denen technische Mittel und Geräte Teil der kommunikativen Praxis sind. In dem Artikel WhatsApp, iMessage und E-Mail. Ein Vergleich der technischen Möglichen mit dem tatsächlich Realisierten (31–68) analysiert Linda Bossart, welche Affordanzen für die Nutzung dieser drei Kommunikationskanäle vorhanden sind und inwiefern diese von den Nutzer:innen genutzt werden. Hierbei perspektiviert sie u. a. die Verbreitung der Dienste, die verwendeten Endgeräte, die Sicherheit der Datenübertragung sowie die Funktionsvielfalt. Die Autorin resümiert, dass WhatsApp und iMessage aufgrund der Verbreitung, einfachen Handhabung und aufgrund persönlicher Präferenzen häufiger genutzt und E-Mails trotz ihrer technischen Vorteile wie Verschlüsselung und Archivierungsfunktionen als eher unkomfortabel empfunden werden.

Roberto Tanchis und Leonie Walder analysieren in ihrem Beitrag Animojis. Eine Analyse aus linguistischer Perspektive (69–84) animierte Emojis, die durch Gesichtserkennung und -verfolgung auf dem i­Phone erstellt werden. Sie setzen sich mit der Genese sowie deren kommunikativen Funktionen auseinander und betrachten die Implikationen für die menschliche Interaktion im digitalen Raum. Animojis als eine Synthese aus animierter Mimik und synchroner Sprachübertragung erweitern das Spektrum konventioneller textbasierter und auditiver Kommunikationsmittel um eine audiovisuelle Dimension und generieren damit eine innovative Ausdrucksform in der interpersonalen Kommunikation. Animojis spielen derzeit zwar eine eher marginale Rolle in der Kommunikationspraxis, bieten jedoch ein beträchtliches Forschungspotenzial – insbesondere in Bezug auf die Funktion der Informationsübermittlung und der (Selbst-)Inszenierung von Identitäten.

Im anschließenden Beitrag Die weinende, virtuelle Influencerin. Das Internetphänomen «Lil Miquela» (85–101) behandelt Mia Jenni die virtuelle Influencerin „Lil Miquela“, die sich als erfolgreiche Figur in der Online-Kultur und dem Influencer-Marketing etabliert hat. Die Figur weicht die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, Mensch und Maschine sowie zwischen Identität und Konstruktion auf. In der Analyse werden Aspekte des „Menschlichen“ bei „Lil Miquela“ aufgezeigt und abschließend in die Idee von Selbstinszenierung als Marketingstrategie in sozialen Netzwerken herausgearbeitet.

Der letzte Beitrag in Abschnitt (A) von Florina Zülli ‹Neuer Partner› in den Warenkorb hinzufügen? Zu den Veränderungen des Online-Datings von Parship über Tinder bis zum künstlichen Partner (102–130) betrachtet verschiedene Entwicklungsphasen des Online-Datings, von den Anfängen mit Websites wie Parship bis zu heutigen Formaten wie Dating-Apps. In einem weiteren Schritt analysiert die Autorin, wie sich die neue Technologie – die künstlichen Partnerin „Virtual Girlfriend Azuma Hikari“ – auf das User:innenverhalten auf verschiedenen Plattformen auswirkt und beleuchtet das Phänomen von künstlichen Partner:innen und virtuellen Beziehungen.

Der Abschnitt (B) beginnt mit dem Beitrag Die Mensch-Roboter-Interaktion. Eine Untersuchung zu den präkommunikativen und kommunikativen Erwartungshaltungen an einen soziotechnischen Akteur (133–148) von Ilona Straub. Sie untersucht darin die Interaktion zwischen Robotern und Menschen und deren Erwartungen und Vorstellungen. Die Autorin stellt fest, dass die Erwartungen der Menschen an Roboter sehr unterschiedlich ausfallen und von technischen Fähigkeiten bis hin zu sozialen Eigenschaften reichen können. Diese Erwartungen wirken sich dann auf die Interaktion aus, indem sie beispielsweise das Vertrauen des Menschen in die Roboter beeinflussen, oder die Art und Weise der Kommunikation prägen. Dabei werden auch Perspektiven hinsichtlich einer gesellschaftlichen Verantwortung, ethischen Gegebenheiten oder auch Aspekte von Privatsphäre diskutiert.

Jana Seebass schließt an dieses Forschungsfeld an, indem sie in ihrem Beitrag Roboter als Partnerersatz. Streitgespräche in der Mensch-Mensch- und Mensch-Maschine-Kommunikation (149–176) der Fra­ge nachgeht, ob „humanoide“ Roboter als eine Art Partnerersatz in der Lage sind, menschenähnliche Eigenschaften und Verhaltensweisen zu zeigen und welche Auswirkungen dies auf die zwischenmenschliche Interaktion haben kann. Die Autorin analysiert am Beispiel der Netflix-Serie Black Mirror Formen zwischenmenschlicher Interaktion zwischen Mensch und Mensch sowie Mensch und Maschine. Einen Schwerpunkt des Artikels bildet die Frage, wie Robo­ter in Konfliktsituationen reagieren und wie sie in Streitgesprächen agieren. Seebass zeigt, dass die inszenierten Roboter in zwischenmenschlichen Situationen partnerschaftlich reagieren können, jedoch in komplexen Konfliktsituationen an Grenzen stoßen.

Im Artikel Vertrauen in Lio und Co. Anthropomorphisierung von Robotern als vertrauensfördernde Strategie (177–190) untersucht Rahel Stau­bli, wie die Zuschreibung von menschenähnlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen zu Robotern das Vertrauen in diese Technologie beeinflussen kann. Die Anthropomorphisierung von Robotern soll zu einer Vertrauensförderung beitragen. Sie betont, dass es sich dabei nicht nur um eine technische, sondern auch um eine soziale Dimension handelt. Insbesondere die Zuschreibung von Emotionen, Persönlichkeit und Intentionalität bei Robotern kann dazu beitragen, dass Menschen eine Beziehung zu Robotern aufbauen und Vertrauen entwickeln. Die Autorin diskutiert am Beispiel von Lio Potenziale und Grenzen von Anthropomorphisierung; Grenzen ergeben sich u. a. in unrealistischen Erwartungen an die Beziehung zwischen Mensch und Roboter.

Abgeschlossen wird der Abschnitt (B) mit dem Beitrag Mit welchen Strategien erzeugen Pflegeroboter Vertrauen? Analyse aktueller Beispiele (191–208) von Andrea Knoepfli, die darin aufzeigt, welche verschiedene Strategien Hersteller von Pflegerobotern nutzen, um der spezifischen Herausforderung, Vertrauen herzustellen, zu begegnen. Anhand exemplarischer Pflegeroboter präsentiert die Autorin, dass Designentscheidungen und Funktionen wie beispielsweise eine ansprechende und verständliche Gestaltung der Benutzeroberfläche, eine klare Kommunikation über die Funktionen des Roboters, aber auch eine intuitive Steuerung sowie eine zuverlässige Technologie wichtige Merkmale bei der Erzeugung von Vertrauen sind. Darüber hinaus müssen Pflegeroboter zusätzlich das Gefühl vermitteln, Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und zu verstehen.

Mit dem Abschnitt (C) wird mit zwei Artikeln eine weitere Art, nämlich die Mensch-Maschine-Interaktion mit Assistenzsystemen, fokussiert. Die Untersuchung Der wütende Mann, die höfliche Frau – und die Frage nach dem Dazwischen. Wie spricht eine genderneutrale Sprachassistenz? (211–225)  von Julia Degelo beschäftigt sich damit, wie Sprachassistenzsysteme wie Alexa oder Siri in Hinblick auf genderneutrales Sprechen kommunizieren können. Die Autorin diskutiert Aspekte zur Nutzung geschlechterneutraler Pronomen sowie die Sensibilität für geschlechtsspezifische Stereotypen. Um geschlechtliche Vielfalt abzubilden und Stereotype abzubauen, spricht sich die Autorin dafür aus, den technologischen Fortschritt zu nutzen und genderneutrale Sprachassistenzsysteme zu entwickeln. Der Beitrag eröffnet deutlich, dass Sprachassistenzsystemen technische, gesellschaftliche und individuelle Perspektiven zusammenbringen können und sollten.

Ann Fuchs und Zora Naef analysieren in ihrem Beitrag Smart Homes im öffentlichen Diskurs. Drei Fallbeispiele (226–245) anhand von Online-Zeitungsartikeln, wie das Thema ‚Smart Homes‘ aktuell präsentiert wird. Die unterschiedlichen Artikel werden textlinguistisch und mediengeleitet u. a. in Hinblick auf die Textsorte sowie stilistische Mittel herausgearbeitet. Die Autor:innen legen dar, dass die Zeitungsartikel deutlich aufzeigen, welche Auswirkungen im Alltag potenzielle Nutzer:innen von Smart Homes erwarten können und weniger über technische Details informiert wird. Die medienspezifische Aufbereitung und Gestaltung der Texte sowie die Verschränkung von Laien- und Expertentum spielt für dieses Thema eine zen­trale Rolle.

Den Abschluss des Sammelbandes bildet im Abschnitt (D) der Beitrag Chips, Devices, and Machines within Humans. Bodyhacking as Movement, Enhancement, and Adaption (249–272) von Oliver Bendel zum Konzept des Bodyhackings. Dieser ist losgelöst als Exkurs von den anderen Beiträgen und bearbeitet ein eher unkonventionelles The­ma in diesem Forschungsfeld. Beim Bodyhacking werden Menschen technologische Geräte und Implantate in ihren Körper eingesetzt, um ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern oder eine detaillierte Überwachung von Körperprozessen zu erhalten. Bendel erörtert neben verschiedenen Formen des Bodyhackings ethische und rechtliche Implikationen. Insgesamt zeigt der Autor, dass das Phänomen ‚Bodyhacking‘ die Überwindung von Grenzen des menschlichen Körpers zum Ziel hat und betont, dass weiterführende Diskurse über Potenziale und Risiken dieser Technologie geführt werden sollten.

 

Mit dem Sammelband legen Sarah Brommer und Christa Dürscheid eine sehr lesenswerte Publikation vor, die wichtige und überaus interessante Ergebnisse in diesem Forschungsfeld bündelt. Die einzelnen Beiträge eröffnen viele Forschungsperspektiven innerhalb der Medien- und Diskurslinguistik, die sich u. a. mit der Wahrnehmung von KI und ihrer kritischen Diskussion in der Öffentlichkeit, möglichen Auswirkungen, Potenzialen und Grenzen auseinandersetzt. Darüber hinaus werden erste linguistische Ergebnisse zu Technologien wie Sprachassistenzen und Pflegerobotern erarbeitet, die vor allem auf der konzeptionellen Ebene für die potenzielle Zielgruppe – z. B. im Fall von Pflegerobotern: Welche Bedürfnisse haben Personen, die Pflegeroboter als Unterstützung nutzen sollen? (Bedieneroberfläche, Lautstärke etc.) – für andere Fachdisziplinen und die abschließende technische Umsetzung anschlussfähig und relevant sind (z. B. Industrie, Medizintechnik, Gesundheitswesen). Spannend wäre darüber hinaus, einige Ergebnisse mit Stalders (2016) Idee der Kultur der Digitalität zu perspektivieren: Neben der Algorithmizität sind die Referenzialität und die Gemeinschaftlichkeit wichtige Elemente in seinem Konzept. Die Ergebnisse zur Fake-Influencerin Lil Miquela, den Datingplattformen sowie die Analysen zu Smart Homes und der Netflix-Serie Black Mirror könnten mit Stalder in Hinblick auf digitale Partizipation- und Transformationsprozesse weitere gesellschaftlich relevante und zukunftsfähige Aspekte aufdecken. Besonders empfehlenswert ist der Band für Leser:innen in Wissenschaft und Praxis, die sich für die Schnittstelle von technologischem Fortschritt und menschlicher Passung und Anwendbarkeit interessieren. Der Band eröffnet mit den rezeptionsorientierten Beiträgen viele neue Perspektiven, die auch für die angewandte Linguistik wie Medienlinguistik, Fachkommunikation und Interkulturellen Kommunikation sowie die Fachdidaktik anschlussfähig sein können.

Literatur

Antos, Gerd (2017): Wenn Roboter „mitreden“...: Brauchen wir eine Disruptions-Forschung in der Linguistik? In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 45 (3), 392–418.

DOI: 10.1515/zgl-2017-0021.

Lotze, Netaya (2016): Chatbots: eine linguistische Analyse. Frankfurt a. M.: Peter Lang (Sprache – Medien – Innovationen, 9).

Stalder, Felix (2016): Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp.