Vol 6 (2024), No 1: 1–9

DOI: 10.21248/jfml.2024.57

Rezension

Stumpf, Sören (2023): Wortbildung diamedial. Korpusstudien zum geschriebenen und gesprochenen Deutsch. Berlin, Boston: De Gruyter (Reihe Germanistische Linguistik, 329).  € 109,95  ISBN 978-3-11-100002-2  DOI: https://doi.org/10.1515/9783110989564

Matthias Meiler

In den letzten Jahren sind von Sören Stumpf (2018; 2021a; 2021b; 2021c; 2022) eine ganze Reihe einzelner Artikel zu empirischen Studien erschienen, die jetzt in die umfangreichere Monografie Wortbildung diamedial eingegangen sind, welche 2021 in Trier als Habilitation angenommen wurde. Das Buch gliedert sich in IV Teile mit insgesamt zehn Kapiteln, wobei den Kern die Teile II: Theoretischer und methodischer Rahmen (Kap. 2–5) sowie III: Empirische Einblicke (Kap. 6–9) bilden.

Stumpf beginnt in Kap. 1 mit einer Sichtung gebrauchsorientierter Wortbildungsforschung und identifiziert dabei nicht weniger als sieben „eklatante Lücken“ (S. 11), obwohl es seit der sog. pragmatischen Wende immer auch gebrauchsorientierte Wortbildungsforschung gab: Vorherrschend sei­en demnach bisher

(1)     Einzelanalysen statt breiter Überblicke, die

(2)    i. d. R. auch eher auf schmaler empirischer Basis beruhen,

(3)    kaum Wortbildung der (gesprochenen) Alltagssprache fokussieren,

(4)    folglich ein Schriftbias und

(5)    Einzeltext(sorten)bias aufweisen,

(6)   kaum kognitive Perspektiven einnehmen und auch

(7)    kaum theoretische Rückbindungen an pragmatische oder gebrauchsorientierte Sprachtheorien versuchen.

Dabei ist es der Anspruch des Autors, diese Desiderate, wenn nicht zu schließen, so doch an sie anzuknüpfen (vgl. S. 13) und immerhin „das Ziel einer umfassenden theoretischen wie empirischen Darstellung des Vorkommens und der Funktionen von Wortbildung in geschriebenen sowie in gesprochenen Texten des gegenwärtigen Deutsch“ (S. 13 f.) zu verfolgen. Dieses Ziel zu verfolgen, ist bereits ganz unabhängig von einer medienlinguistischen Fragestellung so verdienstvoll wie notwendig. Das titelgebende Stichwort „diamedial“ wird dabei indes im Anschluss an das bekannte Modell von Koch/Oesterreicher (zuerst 1985) ausschließlich „diakonzeptionell“ verstanden (S. 15; dazu s. u.).

Kap. 2 führt die notwendigen Begriffe zur Beschreibung von Wortbildungen des Gegenwartsdeutschen ein und problematisiert sie stellenweise mit Blick auf die hier eingenommene Perspektive, die – wie bereits angedeutet – in einigen Punkten von der sprachsystembezogenen Wortbildungsforschung abweicht. Diese begrifflichen und damit immer auch methodologischen Problematisierungen sind wichtig nicht nur für Stumpfs eigene Arbeit, sondern ebenso für die gegenstandskonstitutive Reflexion der Wortbildungsforschung im Allgemeinen. Zum Gegenstand seiner Untersuchung macht Stumpf alle Lexeme der sog. Hauptwortarten Substantiv, Adjektiv und Verb (inkl. Eigennamen, Entlehnungen, Fremdwortbildungen) – unter der einzigen Bedingung, dass sie morphologisch, aber ungeachtet der Frage, ob sie auch semantisch transparent sind.

Dass Fragen nach der Getrennt-/Zusammenschreibung morphologisch komplexer Lexeme lediglich mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung beantwortet werden (vgl. S. 49 f.), ist vermutlich auf die Orientierung der Arbeit vornehmlich an der konzeptionellen und weniger an der medialen Ebene zurückzuführen, obwohl gerade Daten aus Gesprächen und interaktionaler Schriftlichkeit eine intensivere Auseinandersetzung nahelegen (vgl. auch S. 101 ff.).[1] Auch die Kategorisierung einer Wortbildung nach Usualität vs. Okkasionalität anhand der Frage zu entscheiden, ob ein entsprechender Wörterbucheintrag (im DWDS, Duden online, Wiktionary) vorliegt (vgl. S. 52), kann allenfalls als arbeitspraktischer Kompromiss betrachtet werden (s. u.).

Insgesamt wird die Notwendigkeit betont, die traditionellen, sprachsystembezogenen Grammatikauffassungen mit den empirischen Bedingungen des Sprachgebrauchs zu konfrontieren und Grammatikschreibung entsprechend zu fundieren (vgl. S. 25). Gegenüber diesem Anspruch zeigt sich jedoch alles in allem mehr begriffliche Kontinuität als Kritik. So wird etwa trotz emphatischer Problematisierung der Gegenstandskonstitution (vgl. S. 24 f.) weiterhin an grammatischen Begriffen und Modellierungen festgehalten, die einer wesentlich schriftbasierten Grammatiktradition entstammen und bspw. gegenüber handlungstheoretischen Reperspektivierungen (vgl. Redder 2011) oder auch der Programmatik der Interaktionalen Linguistik selbst (vgl. Selting/Couper-Kuhlen 2001) zurückbleiben.

In Kap. 3 setzt sich Stumpf mit dem bekannten Nähe-Distanz-Modell von Koch/Oesterreicher auseinander und modelliert es für die Arbeit maßgeblich im Anschluss an Stein (2003). Auch in dieser Modellierung werden mediale (i. S. v. kommunikationsstrukturellen), themenbezogene und soziale Parameter nicht getrennt voneinander und dann in Bezug aufeinander behandelt (vgl. S. 69, 99 f.), weswegen sich der Verdacht aufdrängt, dass für die Einordnung im Nähe-Distanz-Kontinuum (s. u.) eher Einzelmedienontologien i. S. v. Leschke (vgl. 2003: 154–159) zum Tragen kommen (vgl. S. 100), als differenzierte medienkulturanalytische Betrachtungen der jeweiligen Kommunikationsereignisse zugrunde zu legen. Diese werden dann auch unterschiedslos unter einem forschungsgeschichtlich betrachtet relativ alten Textbegriff subsumiert (vgl. S. 75). Dass mit dem gewählten Korpus letztlich Wortbildungen der Alltagssprache analysiert werden, überzeugt nur unter einem sehr weiten Begriff von Alltag, der im Prinzip lediglich Belletristik ausschließt.

Kap. 4 befasst sich mit drei Ansätzen, die sich nach Auffassung des Autors für eine gebrauchsbasierte Wortbildungsforschung anbieten: Konstruktionsgrammatik, Interaktionale Linguistik und kognitive Semantik. Innerhalb der Konstruktionsgrammatik knüpft er an Geert Booijs (u. a. 2010) Arbeiten zur Construction Morphology an und argumentiert gegen ihre Kontextlosigkeit und Systembezogenheit und für eine notwendige Gebrauchsbasiertheit. Innerhalb der Interaktionalen Linguistik, die ohnehin bereits vielfältige Beziehungen zur Konstruktionsgrammatik unterhält, greift Stumpf das Desiderat auf, dass dort Analysen zur Wortbildung weitgehend fehlen. Er führt beides zu einer „Interactional Construction Morphology“ (S. 91) zusammen. Die kognitive Semantik schließlich ist für die gebrauchsbasierte Analyse von Wortbildungen deswegen als theoretischer Bezugspunkt hilfreich, weil sie Analysewerkzeuge zur Verfügung stellt, die Sprachwissen, Konzeptwissen und Kontextwissen in konkreter Kommunikation aufeinander beziehbar machen, um die Bedeutungskonstitution insbesondere von Wortneubildungen zu rekonstruieren (vgl. S. 95 ff.).

Kap. 5 beschreibt die vier Korpora, die den vier Einzelstudien zugrunde liegen, welche den Kern der Arbeit bilden. Mit Hilfe des Nähe-Distanz-Modells werden die folgenden Textsorten im Kontinuum von konzeptionell gesprochen bis konzeptionell geschrieben in dieser Reihenfolge angeordnet (Kap. 5.1): Alltagsgespräch, Whats­App-Freizeitchat, Mitarbeiterbesprechung, YouTube-Kommentar, Hochschulprüfungsgespräch, Wikipedia-Löschdiskussion, Bundestagsrede, Tagesschaubericht, Zeitungsbericht und Verwaltungsvorschrift. Dieses Gesamtkorpus von etwa 100.000 Token wird für drei der vier Einzelstudien erweitert oder eingeschränkt. Eine nur bedingte Verallgemeinerbarkeit über die untersuchten Textsorten hinaus, wird hier bereits festgestellt (vgl. S. 101), was auch damit zu tun hat, dass das Korpus hauptsächlich nach Konzeptionalität parametrisiert ist und die Rolle von Sprecher*innen- und damit Wortbildungsgemeinschaften, die quer zur Konzeption lägen, weitgehend ausgeblendet bleiben. Die Wortbildungen des Korpus wurden manuell und weitgehend gemäß der Modellierung von Fleischer/Barz (vgl. 2012: 73) annotiert.

Anhand exemplarischer Beispiele gibt Kap. 6 als Einzelstudie 1 einen ersten vertiefenden Einblick in den komplexen Zusammenhang von Wortbildungs- und Textanalyse und behandelt Einzeltexte und Textkomplexe. In den Analysen wird Folgendes thematisiert: Kohäsion, Kohärenz, Stil, Komprimierung, Verstehensressourcen (wie Wortbildungsmusterwissen, (Kon-)Textwissen, kogni­tive Ressourcen (wie Analogien, Frames und mentale Räume)) und die Akzeptabilität von Ad-hoc-Bildungen vor dem Hintergrund von Norm- und Systemwidrigkeit.

Das Herz des Buches bildet die Einzelstudie 2 in Kap. 7, die den Zusammenhang von Wortbildung und Textsorte über eine umfangreiche, v. a. statistisch-vergleichende Auswertung von 23.131 Wortbildungstoken zu erhellen versucht, indem alle untersuchten Phänomene auf das Konzeptionskontinuum von Nähe und Distanz bezogen werden, in das die berücksichtigten Textsorten eingeordnet wurden. Aus den zahlreichen statistischen Auswertungen und Darstellungen kann hier unmöglich alles, sondern nur Ausgewähltes wiedergegeben werden.

Verbale Wortbildungen zeigen bspw. eine Affinität zum Nähepol, während substantivische Wortbildungen zum Distanzpol hin zunehmen (vgl. S. 183). Unter den Wortbildungsarten verzeichnen die Konversion und Partikelverbbildung eine Zunahme zum Nähepol, die Kurzwortbildung hält Stumpf für ein Spezifikum der Wikipedia-Löschdiskussionen (vgl. S. 187). Substantivkonvertate häufen sich am Nähepol (vgl. S. 198), Adjektivderivate nehmen Richtung Distanzpol ab, v. a. departizipiale Adjektivkonvertate Richtung Distanzpol zu (vgl. S. 201). „Für Nähesprache sind Partikelverben, für Distanzsprache sind Verbalderivate besonders typisch“ (S. 203). Movierung mit -in zeigt die höchsten Anteile in Bundestagsreden und Verwaltungsvorschriften (vgl. S. 209). Jene hohen Token-Werte für Bildungen mit -heit/-keit/-igkeit, -ion/-tion/-ation sowie -ie/-erie, die in Hochschulprüfungsgesprächen zu verzeichnen sind, lassen sich vielfach mit den behandelten Themen erklären (vgl. S. 208–210). Diminuierende -chen-Derivate kommen nur nähesprachlich vor (vgl. S. 210), während unter den augmentativen Erstgliedern von (Substantiv- und Adjektiv-)Komposita einige eher eine Nähe-, andere eher eine Distanzaffinität zeigen (vgl. S. 214 f.).

Insgesamt muss bezüglich dieser festgestellten Werte jedoch bemerkt werden, dass die statistische Verteilung einzelner Wortbildungsphänomene im Nähe-Distanz-Kontinuum erklärungsbedürftig bleibt, da kaum plausible Beziehungen zwischen einem bestimmten Phänomen und der sog. Nähe- oder Distanzsprache hergestellt werden können (etwa Verbalderivate ggü. Partikelverben). Sehr viel häufiger drängen sich, wie oben bereits angemerkt, thematische und funktionale Erklärungen auf, die nicht auf das Nähe-Distanz-Kontinuum projiziert werden können. So würde etwa auch die Einschätzung, dass Kurzwortbildung typisch für Wikipedia-Löschdiskussionen sei, in einem anderen Licht erscheinen, wären die Hochschulprüfungsgespräche in Disziplinen wie der Politikwissenschaft oder Chemie geführt worden. Auch die Auswertung der Frage nach Usualität/Okkasionalität krankt am zugrundeliegenden Kriterium (Lemmatisierung in Wörterbüchern, s. o). Dieses führt dann zu widersinnigen Feststellungen wie bspw.: „Der hohe Anteil an okkasionellen Komposita resultiert insbesondere aus der (Wikipedia-)spezifischen Terminologie“ (S. 238).

Auch das abschließende Teilkapitel 7.2.8 enttäuscht ein wenig, weil es lediglich eine dreiseitige Tabellenübersicht über die behandelten Phänomene gibt. Demgegenüber hätte man sich nach dem Gang durch die Analyseergebnisse eine methodologische Reflexion der Ergebnisse und kritische Diskussion des zugrunde gelegten Modells und seiner Annahmen gewünscht.

Der Einzelstudie 3 in Kap. 8 liegen Interaktionen aus Face-to-face- und WhatsApp-Gesprächen zugrunde (mit insg. 83 Belegstellen). In Anlehnung an die Interaktionale Linguistik werden nicht nur medial gesprochene Daten herangezogen, denn auch in den sog. getippten Gesprächen auf WhatsApp liegt eine sequenziell strukturierte Sprachverwendung vor. Wenn dabei jedoch mit Bezug auf Imo/Lanwer (2019: 2) festgestellt wird: „Der mediale Aspekt ist dabei nicht entscheidend“ (S. 247), wird hier eine unangemessene Generalisierung vorgenommen. Eine gewisse Desensibilisierung für den medialen Aspekt zeigt sich denn auch in den Analysen dieses Kapitels, das die beiden Datentypen nicht miteinander vergleicht, insgesamt aber ohnehin mehr illustrierend das „Funktionsspektrum[…] von Wortbildung in interaktionaler Kommunikation“ (S. 248) aufdecken will, als einzelne Wortbildungsphänomene in ihrer interaktionalen Systematik mit einer vergleichbaren Strenge empirisch zu rekonstruieren, wie dies Kap. 7 oder 9 für sich beanspruchen. Mit Kap. 8 wird der Wortbildungsforschung also maßgeblich ein neues, beinahe unbeackertes Feld eröffnet und in seinen Umrissen angedeutet. Es zeigt sich dabei, wie zu erwarten war, mit Blick auf typische Aufgabenfelder interaktionalen Sprachgebrauchs, dass auch Wortbildungen (das Gros der Beispiele enthält Komposita) jeweils Ursache für und Ressource zur Bearbeitung spezifisch interaktionaler Aufgaben darstellen (Reparaturen, Elaborierungen, lokale Kohärenz und Bedeutungsaushandlung, Kokonstruktion, Recipient Design, Turn-Design, im Gattungskontext und für die Rederechtsorganisation).

Kap. 9 stellt eine umfassende Fallstudie zur Konstruktion X-Ding dar. Untersucht werden ausschließlich (medial mündliche) Daten: insgesamt 218 Token der teillexikalisierten Konstruktion, die als Passe-partout-Kompositum betrachtet wird. Stumpf nimmt dabei für sich in Anspruch einen holistischen und nicht-modularen Beschreibungsansatz zu verfolgen, der kognitiv-semantische und pragmatisch-funktionale Aspekte (vgl. S. 319) gleichermaßen berücksichtigt. Die Behandlung der formalen, semantischen, kognitiven und funktionalen Eigenschaften der betreffenden Konstruktion erfolgt indes jedoch nacheinander und auch begrifflich unabhängig voneinander. Er identifiziert drei Bedeutungen,

1.       „Deiktische Referenz auf konkrete Gegenstände“ (S. 325),[2]

2.      „Bezugnahme auf abstrakte Entitäten“ (S. 327),

3.      dem Erstglied werden „(stereo-)typische Merkmale“ (S. 329) zugewiesen,

und bspw. die Funktionen der kognitiven Entlastung, Informationsverdichtung, Rederechtssicherung sowie Markierung von Irrelevanz und Distanz zum Benannten (vgl. S. 332–342).

Den Abschluss dieser Fallstudie bildet eine konstruktionsgrammatische Analyse, die den Blick weitet und eine typische syntaktische Einbettung der X-Ding-Konstruktion untersucht. Auch diese syntaktische Konstruktion [X Kopula ein Y-Ding] ist teillexikalisiert und wird auf die 3. Bedeutung (s. o.) beschränkt, wobei nicht geklärt wird, wie beide zusammenhängen. Diese letzte Korpusstudie basiert auf 752 Belegen aus DeReKo. Ein Vergleich zwischen textuellen und interaktionalen Verwendungsweisen wird nicht vorgenommen. Die Konstruktion wird auf Basis der maßgeblich journalistischen Beispiele als typisch für konzeptuelle Mündlichkeit betrachtet (vgl. S. 352).

Im Hinblick auf die syntaktischen Eigenschaften der betreffenden Konstruktionen fällt auf, dass diese vollständig unabhängig von Forschungsergebnissen zur in der Konstruktion häufigsten Kopula sein (dazu etwa Thielmann 2003) und zur ebenso auffällig häufigen Deixis so (dazu etwa Stukenbrock 2010) beschrieben wird.[3] Für [X Kopula ein Y-Ding] werden zwei Konstruktionsbedeutungen konstatiert:

1.       Y beschreibt X,

2.      X beschreibt Y, „wobei die (Stereo-)Typizität im Vordergrund steht“ (S. 355).[4]

In einem kulturanalytischen Sinne vergleicht er anschließend zwei spezifische Besetzungen der Y-Leerstelle als [X ist ein Männerding] vs. [X ist ein Frauending] und stellt daran beispielhaft heraus, in welcher Weise sich die Konstruktion insgesamt als ein Ausdrucksmittel für Denkstereotype eignet. Auf beispielhafte Weise wird hier Wortbildung und Syntax mit kulturanalytischer Linguistik verbunden.

Das Fazit (Kap. 10) bilanziert die Ergebnisse und umreißt gleich das nächste offene Feld für die Wortbildungsforschung: die Diskurs­analyse (i. S. Foucaults). Wünschenswert wäre jedoch auch gewe­sen, einen Ausblick formuliert zu finden, der an den Ergebnissen von Stumpfs eigenem „programmatische[n …] Beitrag“ anknüpft (S. 369). Denn in der gebrauchsbasierten Wortbildungsforschung, die von Stumpf in ihren Umrissen erkennbar gemacht wird, ist noch lange nicht alles getan.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die vorgelegte Monografie (nicht nur) der (germanistischen) Wortbildungsforschung mit der umfassenden Vorzeichnung eines ganzen Forschungsfeldes einen großen Dienst erweist! Es handelt sich um eine stets klar argumentierte und verständlich geschriebene Arbeit, die ihr selbstgestecktes Ziel (s. o.) zweifelsohne erreicht. Sie lässt dabei jedoch Reflexionschancen einerseits zur Gegenstandskonstitution und Methodologie der Wortbildungsforschung und andererseits zur eigenen Modellierung und den damit erlangten Erkenntnissen allzu oft verstreichen. Gerade aus medienlinguistischer Perspektive drängen sich die erstgenannten Reflexionen auf, da sie an den medialen Grundbedingungen von Sprache ansetzen (vgl. Meiler 2021). Eine Arbeit, die von vornherein maßgeblich an der konzeptionellen Seite des Sprachgebrauchs interessiert ist, verliert die Medialität leider allzu leicht aus dem Blick, auch wenn der Titel zunächst anderes verspricht.  

Literatur

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Thielmann, Winfried (2003): Zur Funktionalität des Seinsverbs im Deutschen. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Funktionale Syntax. Die pragmatische Perspektive. Berlin, New York: de Gruyter, 189–207.

 



[1]     So sind wissenschaftliche Transkriptionsentscheidungen bei Gesprächen einerseits und alltägliche Verschriftungsentscheidungen bei Messengerkommunikation andererseits nicht trivial, sondern aktiv daran beteiligt, die Erfassbarkeit des Gegenstands im Korpus mitzugestalten (vgl. Lanwer 2018; Beißwenger et al. 2016).

[2]    Hier muss jedoch festgestellt werden, dass die gezeigten Beispiele nicht i. e. S. deiktisch sind.

[3]    In den Gesprächsdaten zur X-Ding-Konstruktion erscheint demgegenüber auffällig häufig das Determinativ son, für das auch bereits umfangreiche Analysen vorliegen (dazu etwa Eggs 2016). Beide, so und son, werden auch mit (Proto-)
Typizität in Verbindung gebracht.

[4]    Die Unterscheidung zwischen beiden überzeugt mit Blick auf die gegebenen Beispiele m. E. jedoch nicht.